Moorseelen
Schöpfkelle.
Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was das Gefäß enthielt, aber es musste etwas Warmes sein, denn wabernder Dampf schlug mir entgegen, als ich den Deckel hob und die Kelle eintauchte. Was ich zutage förderte, sah nicht sehr appetitlich aus. Eine bräunliche Pampe, die zäh und schleimig in meine Tonschüssel klatschte.
»Porridge. Gekochte Haferflocken mit Wasser und etwas Trockenfrüchten, gesund und nahrhaft«, dozierte Mia.
»Zucker? Oder wenigstens … Honig?«, fragte ich hoffnungsvoll. Sie schüttelte stumm den Kopf, doch ihre Augen funkelten spöttisch. Weil ich nicht sagen wollte, was ich dachte – nämlich, dass das Zeug aussah wie schon mal gegessen – schwieg ich und wartete höflich, bis alle sich bedient hatten. Dann tauchte ich meinen Löffel in den Porridge und aß. Es schmeckte nach Sägespanbrei.
»Morgen, Leute. Na, alles frisch am Tisch?« Zeno war in der Tür aufgetaucht und schien blendender Laune zu sein. Alle Köpfe wandten sich ihm zu, und er lächelte in die Runde. Aber ich war die Einzige, der er kurz, aber liebevoll die Hand in den Nacken legte, während er fragte: »Na? Hast du dich schon ein bisschen eingelebt bei uns?«
Ich nickte und rang mir ein Lächeln ab, das mir gleich wieder verging, denn neben mir murmelte Mia leise, aber verständlich: »Bisschen viel Tamtam um den Neuzugang, was?«
Zeno schien es nicht gehört zu haben, denn fröhlich bot er mir an: »Wenn du magst, drehen wir nach dem Frühstück mal ’ne Runde, dann lernst du alles hier mal kennen.«
Ich nickte erneut, meine Kehle schien von dem schleimigen Haferbrei wie zugeklebt, aber vielleicht lag es auch an Mia. Die Freundlichkeit, die sie mir bei unseren ersten Begegnungen gezeigt hatte, war deutlich abgekühlt. Stattdessen schien sie mich auf einmal auf dem Kieker zu haben, warum auch immer. War sie am Ende eifersüchtig wegen Zeno? Weil er sich um mich kümmerte? Aber ich war neu hier und alles war mir noch fremd, was also sprach dagegen, wenn er einfach nur nett zu mir war? Tief im Inneren wusste ich aber, dass ich mir selbst etwas vormachte. Meine Gefühle für Zeno gingen über den Wunsch nach reiner Freundlichkeit hinaus. Er hatte etwas an sich, etwas Geheimnisvolles, aber auch Distanziertes, das ihn begehrenswert machte. Anscheinend nicht nur für mich.
»In zehn Minuten vor der Töpferwerkstatt, okay?«, riss mich Zenos Stimme zurück in die Porridge-Wirklichkeit. Ich nickte und beeilte mich, meine Schüssel auszulöffeln. Sägespäne hin oder her, ich hatte Hunger.
Währenddessen ging Zeno hinaus und auch die anderen brachten ihre Schüsseln zu einem großen Servierwagen und zerstreuten sich dann langsam. Nur Lukas blieb zurück.
»Küchendienst«, erklärte er mit einem breiten Grinsen. »Trifft jeden von uns abwechselnd.« Nicht einmal die Aussicht, zwanzig haferschleimverklebte Schüsseln samt Löffel spülen zu müssen, schien ihm die Laune zu verderben. Ich winkte ihm zu und machte, dass ich rauskam.
Noch bevor ich den freien Platz erreichte, hörte ich schon Zenos rauchige Stimme. Unwillkürlich musste ich lächeln und legte einen Zahn zu. Doch als ich um die Ecke bog, war er nicht alleine. Neben seinem Schopf leuchteten hellblonde Haare wie ein Heiligenschein in der Morgensonne: Mia. Abrupt blieb ich stehen. Die beiden sahen mich nicht, sondern steckten die Köpfe zusammen. Sollte ich einfach zu ihnen gehen? Ärger nagte an mir wie der Biber am Baumstamm. Zeno war mit
mir
verabredet, was drängte Mia sich einfach dazwischen? Da sah ich sie jedoch die Hände in die Seite stemmen und an ihrer Miene merkte ich, dass die beiden offenbar keinen netten Small Talk führten. Mia wirkte ziemlich sauer. Die Brauen über ihren blauen Kulleraugen waren zusammengezogen und bildeten eine steile Falte über ihrer Stupsnase. Unauffällig schob ich mich ein paar Schritte näher. Jetzt verstand ich auch einige Satzfetzen.
»… ziemlichen Aufwand, den du da betreibst, findest du nicht?«, zischte sie gerade und musterte Zeno finster.
Der klang völlig gelassen. »Nein, finde ich nicht. Du weißt, wie es läuft, Mia, also spiel hier nicht die Königin von Saba, okay?«
Jetzt sah sie ernsthaft wütend aus. »Vergiss mal nicht, wer ich bin«, fauchte sie, und ehe Zeno noch reagieren konnte, drehte sie sich auf dem Absatz um und stapfte davon. Zum Glück nicht in meine Richtung. Ich hatte mich zwar blitzschnell hinter die Hausecke zurückgezogen, als sie sich von Zeno abgewandt
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