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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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den ganzen Abend in ihrem Zimmer verschanzt und geschmollt hat. Aber jetzt hat das Fräulein Tochter meine Geduld genug strapaziert. Ich will, dass sie zum Frühstück kommt und sich entschuldigt. Und zwar auch bei dir. Feline! Komm endlich!«
    »Du machst es nicht besser, wenn du vor lauter Anklopfen fast die Zimmertür einschlägst!«
    »Bitte, dann wecke ich sie eben höchstpersön… Himmel! Sie ist weg!«
    »Sieht aus, als hätte sie heute Nacht nicht mal hier geschlafen – das Bett ist unberührt. Und hier: ein Zettel!«
    »Ich habe einen Ort gefunden, wo es mir besser geht …! Das glaub ich jetzt nicht! Verdammt noch mal, ich glaub das einfach nicht! Was ist bloß in sie gefahren? Erst ignoriert sie meine Anordnungen, dann wird sie frech – und haut am Ende auch noch ab!?«
    »Vielleicht war das alles ein bisschen viel für Feline.«
    »Was? Dass sie einen Verweis gekriegt hat, weil sie einem Lehrer kackfrech gekommen ist? Oder dass ich ihr Hausarrest verpasst habe? Willst du mir jetzt vorschreiben, wie ich meine Tochter erziehen soll, oder was?«
    »Bernd, nun krieg dich mal wieder ein, okay? Ich will dir gar nichts vorschreiben. Aber die Neuigkeit mit dem Baby war für Feline vielleicht … ein bisschen krass.«
    »Wer hat denn den Schwangerschaftstest im Bad herumliegen lassen?
Ich
nicht!«
    »Ach so, jetzt bin
ich
dran schuld, dass deine Tochter sich heimlich vom Acker gemacht hat, ja? Dabei hast
du
sie doch geohrfeigt!«
    »Na toll. Jetzt hab ich also den Schwarzen Peter!«
    »Bernd …«
    »Nein, ich will jetzt nicht diskutieren! Ich werde jetzt in ihrer Schule anrufen und mir die Nummern von sämtlichen Mitschülern geben lassen. Und die werde ich durchtelefonieren, bis ich Feline finde. Wenn das bis heute Abend nicht der Fall ist, schalte ich die Polizei ein. Feline ist schließlich erst sechzehn, verdammt noch mal!«

Kapitel 6
    »Wenn ich nicht sofort ’nen Kaffee kriege, penne ich ein. Auf der Stelle und genau hier!«, ächzte ich und blickte Hilfe suchend zu Lukas, der frisch und ausgeruht wirkte und zu allem Überfluss so gute Laune verströmte wie ein ausgelaufenes Parfumfläschchen seinen Duft. Mir aber stank alles hier. Mittagessen gab es in der Oase keines.
    »Wir essen zweimal am Tag, morgens und abends«, hatte Lukas erklärt. »Ist besser für den Biorhythmus.«
    Das fand ich nun überhaupt nicht. Die Müdigkeit, die mich den ganzen Vormittag schon geplagt hatte, hatte mich jetzt am Nachmittag voll im Griff. Das frühe Aufstehen war einfach nicht mein Ding. Ein Senkblei Erschöpfung zog an mir und ich hätte mich am liebsten auf den gekachelten Boden gelegt und ein Nickerchen gemacht. Stattdessen stand ich seit Stunden in der weitläufigen Kommunenküche und war zu einem Jamie-Oliver-Roboter mutiert. Ich schnibbelte Rote Bete in Würfel, hackte Koriander und Basilikum klein und drückte Knoblauch durch eine Presse. Alles für die Leckereien in den Einweckgläschen, die Zeno mir bei unserem Date im Park serviert hatte. Nur, dass ich diesmal nicht Nutznießerin, sondern Abfüllsklave war, dachte ich grimmig. Mein Rücken schien vom langen Stehen gleich in der Mitte auseinanderbrechen zu wollen und meine Finger waren von den dunkelroten Knollen völlig verfärbt. Ich hätte locker in einem Zombiefilm mitspielen können, mit meinen blutroten Händen und schwarzen Schatten unter den Augen. Lukas warf mir einen prüfenden Blick zu. »Du pfeifst echt aus dem letzten Loch, oder?«, fragte er freundlich.
    »Hab ich was anderes behauptet?«, knurrte ich. »Und wenn du jetzt auch mit dem ewigen ›daran gewöhnst du dich‹ anfängst, nehm ich das schärfste Küchenmesser und hacke dich kleiner als diese Knoblauchzehe hier«, drohte ich.
    Lukas lachte. »Tja, eigentlich wollte ich genau das sagen, aber ehe ich im Pesto lande …« Er schien kurz zu überlegen. »Eigentlich sollte ich nicht …« Er zögerte, aber mit einem Blick auf mein müdes Gesicht seufzte er und zuckte die Schultern. Er krempelte die Ärmel hoch, ehe er gebückt in den Tiefen eines Schränkchens herumkramte. Nach einigen Sekunden förderte er triumphierend zwei quadratische Bonbons zutage, deren Einwickelpapier schon etwas lädiert aussah. Als er sie mir auf seiner geöffneten Hand hinhielt, bemerkte ich zwei helle runde Vertiefungen auf der Innenseite seines Unterarms, die sich weiß von Lukas’ leicht gebräunter Haut abhoben. Er bemerkte meinen Blick und zog sich hastig den Ärmel seines Hemdes darüber. Aber ich hatte

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