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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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murmelte sie und schlurfte davon.
    Ich blickte ihr nach und mein Blick fiel auf Kali. Ich hatte nicht mehr auf sie geachtet, doch nun sah ich sie bei Zeno am Lagerfeuer hocken. Kali redete gestikulierend auf ihn ein, während Zeno mit unbewegter Miene und gekreuzten Beinen dasaß, wie Buddha persönlich. Redeten sie über mich? Hatte ich wieder etwas falsch gemacht? Gleich darauf rief ich mich zur Ordnung. Hatte Zeno nicht gesagt, ich solle nicht immer das Schlechteste denken? Nicht nur über andere, auch über mich? Niemand würde es mir übel nehmen, dass ich keinen neuen Namen haben wollte, oder? Schließlich waren Lukas, Irina und auch Mia ganz normale Vornamen und sicher von ihren Trägern nicht neu erfunden worden. Kali war einfach ein bisschen esoterisch gepolt. Dennoch machte sich eine ängstliche Unruhe in mir breit, und nachdem ich mich wieder ans Feuer gesetzt hatte, beobachtete ich Zeno unauffällig aus den Augenwinkeln. Würde er zu mir herübersehen? Und welche Miene würde er dabei aufsetzen? So angespannt wie ich gerade war, musste sich ein Sprinter Sekunden vor dem Startschuss fühlen. Ich wollte nichts falsch machen, nicht mehr.
    Doch nichts passierte. Zeno plauderte und lachte mit diesem und jenem, dazwischen brachte er seiner Mutter mal einen Teller mit Salat, mal etwas zu Trinken. Krampfhaft versuchte ich, einen Blick von ihm zu erhaschen, umsonst. War er zu beschäftigt oder ignorierte er mich absichtlich? Schon wieder machten sich bei mir die Zweifel mit einem Kribbeln in der Magengegend bemerkbar und ließen mich nicht still sitzen. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf und gab vor, meine steifen Beine ausschütteln zu müssen. Scheinbar absichtslos ließ ich mich dabei in Zenos Nähe treiben. Mein Herz begann immer schneller zu klopfen, je dichter ich an ihn heranrückte. Ich war die Jägerin auf der Pirsch, die sich an das ahnungslose Damwild anschleicht. Doch war in Wirklichkeit nicht ich die Beute?, schoss es mir durch den Kopf. In diesem Moment drehte Zeno sich um und blickte mich direkt an.
    »Hi«, piepste ich unsicher und lächelte ihn schüchtern an. Irgendwie fühlte sich jede neue Begegnung mit Zeno an, wie auf einer Slackline zwei Meter über dem Boden zu balancieren. Entweder war es ein super Gefühl oder ich stürzte ins Bodenlose. Dazwischen gab es nichts. Diesmal hielt das Seil. Zenos zahnlückiges Lächeln blitzte auf und mein galoppierender Herzschlag wandelte sich vom Angsthasenklopfen zu Erwartungsfreude.
    »Na, Felinchen, alles gut?«, scherzte er und ich spürte die Berührung seiner warmen Hand, mit der er kurz und spielerisch meinen Fußknöchel umschloss. Ein wohliger Schauer überlief mich und ließ mich an einen kurzen warmen Regenguss an einem Sommerabend denken.
    »Logo, und selbst?«, foppte ich ihn, während ich gleichzeitig versuchte, ein Stück bestrichenes Fladenbrot von seinem Teller zu klauen. Mit einer Schnelligkeit, die mich verblüffte, schnappte er nach meiner Hand und hielt sie fest. Sekundenlang blickten wir uns wortlos in die Augen. Ich hätte am liebsten die Zeit angehalten und wäre in Zenos Augen abgetaucht, in diesen See aus flüssigem, goldbraunem Honig.
    »Du machst dich wirklich gut bei uns«, sagte er leise. Und fügte hinzu: »Ich bin stolz auf dich!« In meinem Bauch ging die Sonne auf und ein warmes Gefühl durchströmte mich. Unwillkürlich verzogen sich meine Lippen zu einem breiten Lächeln. Zenos Griff wurde etwas fester, drängender. »Ich würde dich später gerne sprechen. Allein«, raunte er und mein Puls drehte augenblicklich auf 220 Schläge hoch. Ein verheißungsvoller Ton war in seiner Stimme und er hielt immer noch sanft, aber bestimmt meine Hand umschlossen. Nun spürte ich seinen Daumen leicht über meine Finger streichen. Es durchfuhr mich bis in die Zehenspitzen. Diesmal würde etwas Entscheidendes zwischen uns geschehen, das fühlte ich.
    Zeno lächelte immer noch und ich wünschte mir, er würde nie mehr damit aufhören. Auf einmal zerriss eine muntere Stimme die Stille zwischen uns wie eine ungeschickte Kinderhand ein hauchzartes Spinnennetz.
    »Hallo zusammen. Habt ihr ’nen Happen für mich übrig? Ich bin am Verhungern!« Im ersten Reflex dachte ich, Mia wäre zurückgekommen. Die Stimme war jedoch zu tief für eine Frau. Da kam die Gestalt näher, die Flammen beleuchteten das Gesicht und ich wusste schlagartig, woher ich die Stimme kannte. Ich hatte sie erst heute Nachmittag gehört. Fassungslos

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