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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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ignorierte ihn geflissentlich, doch Zeno hatte es gehört und hob den Kopf. Er sah Urs nur eine Sekunde lang an, doch der dicke Junge zog sofort den Kopf ein. »Cool«, lenkte ich rasch von der etwas angespannten Stimmung ab, »kann ich euch helfen?«
    Zeno schüttelte den Kopf und so fand ich mich wenig später mit den anderen am brennenden Holzstoß wieder. Auch Deva war gekommen. Sie hatte den begeistert »Dada« krähenden Jaron auf dem Schoß und fuhr mit ihrem Rollstuhl nahe an das wärmende Feuer. Der Kleine starrte mit großen Augen in die knisternden dunkelgelben Flammen. Vielleicht sah er in ihnen unruhige Geister, die in einem seltsamen Tanz zuckten.
    Genau wie bei meinem ersten Mal in der Oase gab es Fladenbrot, Salat und gegrilltes Gemüse – ein Festmahl, wenn ich bedachte, aus was das Essen sonst bestand. Kali kam und knuffte mich kumpelhaft in die Seite. »Weißt du noch? Als du zu uns gekommen bist, haben wir auch gefeiert«, sagte sie.
    »Das war der Tag, nachdem ich Mias Goldfischarmband gekauft hatte«, nickte ich.
    Bei der Erwähnung von Mias Namen schien sich Kalis Gesicht zu verdunkeln und obwohl ich es nicht wollte, war auch bei mir die Erinnerung an das blondgelockte Mädchen mit den großen, blauen Augen auf einmal wieder präsent. Ich blickte zu Jaron, der auf Devas Schoß eingeschlafen war.
    »Was meinst du, wo Mia jetzt ist?«, fragte ich.
    Kali zuckte die Schultern, ihre Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst und ihr Blick war starr auf den Boden gerichtet. »Das ist ihre Sache«, antwortete sie knapp.
    »Sie hat Jaron hiergelassen. Meinst du, sie kommt wieder zurück und holt ihn?«, spann ich meine Gedanken weiter.
    »Du solltest dir nicht so viele Gedanken um andere machen, Feline«, sagte Kali. Ihre Stimme klirrte und klang nach zwei Eiszapfen, die aneinanderschlugen.
    Verwundert blickte ich sie an. Aber schon überzog ein Lächeln ihr Gesicht und sie hakte mich freundschaftlich unter. »Ich find’s jedenfalls schön, dass
du
wieder da bist«, grinste sie und zog mich zu Lukas, Bidu und Juli, die ihre Bongos ausgepackt hatten und gekonnt ihre Hände darauf tanzen ließen.
    »Na, auch mal eine Runde versuchen?«, grinste Lukas und schob mir auffordernd die kleine Trommel hin.
    »Öh, nee, lieber nicht. Ich habe das noch nie gemacht«, stotterte ich überrumpelt. Im Geiste sah ich mich ungeschickt auf die Bongo schlagen und erinnerte mich an »Das Tier«, die Fellpuppe aus der Muppet-Show.
    »Dann wird es doch Zeit, mal was Neues auszuprobieren, oder?«, schlug Juli vor, doch ich schüttelte offenbar entsetzt den Kopf, denn alle brachen in Gelächter aus, ich eingeschlossen. »Als ich Kali das erste Mal an meine Bongo gelassen habe, da hab ich auch um ihr Leben gefürchtet. Also – um das der Bongo«, witzelte Lukas, und wieder lachten alle.
    »Ja, ich habe meinem Namen alle Ehre gemacht«, feixte die Angesprochene und hockte sich mit angezogenen Knien auf den Boden.
    »Wie meinst du das?«, fragte ich. Ich hatte bisher angenommen, ihr Name sei eine Abkürzung von Kalinka oder ein Kosename, abgeleitet von Karla oder Karina. »Kali ist im Hinduismus die dunkle Göttin. Sie gibt und sie zerstört gleichzeitig. Ich fand sie schon immer toll, also hab ich mir ihren Namen geliehen«, erklärte Kali.
    »Ach so, cool. Und wie heißt du wirklich?«, wollte ich neugierig wissen. Aus ihrer Miene wich jeglicher Ausdruck.
    »Das spielt keine Rolle«, sagte sie kurz angebunden. Bei dem scharfen Tonfall zuckte ich unwillkürlich zusammen. »Einige hier haben sich einen neuen Namen zugelegt, nachdem sie in die Oase gekommen sind«, fuhr Kali versöhnlich fort. »Es ist ein Symbol dafür, dass du mit deiner Vergangenheit abgeschlossen hast. Keiner von uns denkt gerne an früher zurück. Mit deinem alten Namen legst du auch den Schmerz und die Wut von damals ab. Du erfindest dich total neu! Geil, oder?«
    Ich nickte, obwohl ich skeptisch war, ob es funktionierte. Kali aber gefiel offenbar die Vorstellung, mich mit einem neuen Namen anzusprechen.
    »Du könntest dich ›Shakti‹ nennen. Das bedeutet ›Energie‹ – und davon hast du ja reichlich«, schlug sie vor und grinste mich auffordernd an. Sie schien eingefleischter Yoga- oder Indienfan zu sein. Aber die Vorstellung, dass sie mich morgens künftig mit »Hey, Shakti, aufwachen«, wecken würde, kam mir nun doch zu merkwürdig vor. Außerdem sträubte sich etwas tief in mir, meinen Namen »wegzuwerfen«. Wozu? Ich war Feline und wollte

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