Moorseelen
Kali, die weichherzige Aryana, den unbekümmerten Lukas … Sogar für Urs hatte ich so etwas wie Mitgefühl übrig.
Und dann war da auch noch Nick.
Immerhin hatte er ziemliche Anstrengungen unternommen, mich ausfindig zu machen. Und er hatte mich nicht bei Zeno wegen meines geschummelten Alters verpetzt. Vielleicht war er ja doch nicht so übel. Ohne dass es mir bewusst war, musste ich gekichert haben, denn die Töne hingen noch mit einem fernen Nachhall in der Luft. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, neben mir zu stehen und mich selbst zu beobachten. Und diese Feline wunderte sich über die gute Laune derjenigen Feline, die am Tisch saß. Doch dann verschwand dieses Gefühl der Geteiltheit so schnell, wie es gekommen war. Es blieb nur ein Wohlbefinden. Der Schrecken meines Erlebnisses im Moorsee war weit weg, so als wäre das alles nicht mir, sondern jemand anderem passiert. Auf einmal fühlte ich mich stark und zuversichtlich. Alle Angst war von mir abgefallen.
Auf einmal bekam ich Lust, Zeno von meiner Veränderung zu erzählen. Also stand ich auf und ging – nein, schwebte – zur Tür. Meine Schritte fühlten sich leicht und federnd an. Auch der Weg nach draußen schien mit Wolken gepflastert. Auf dem großen Platz saßen Aryana und Lukas in der Sonne und schälten Auberginen, Tomaten und Zucchini. Und daneben, sichtlich genervt: Nick. Er blickte von seinem verarbeiteten Gemüseberg auf. Er hatte deutlich weniger geschafft als die anderen beiden. Beinahe wäre der Eimer mit den Schalenabfällen umgekippt, so hastig sprang er auf.
»Mensch, Feline! Wo hast du denn gesteckt? Ich hab mir voll Sorgen gemacht«, rief er.
Wie süß – er ängstigte sich meinetwegen, dachte ich und lächelte ihn strahlend an. »Das ist echt lieb von dir«, sagte ich aufrichtig.
Nicks Gesichtsausdruck wechselte von Besorgnis zu Verwirrung. Wahrscheinlich hatte er damit gerechnet, wie üblich von mir angemeckert zu werden. Aber mir war nicht danach. Auch Lukas und Aryana waren in der Zwischenzeit aufgestanden und näher gekommen. Ich lächelte die beiden voller Zuneigung an.
»Feline, alles okay? Zeno meinte, du bist zusammengeklappt«, sagte Aryana und berührte schüchtern meinen Arm.
»Kleines Kreislaufproblem, aber jetzt bin ich wieder voll da«, beruhigte ich sie. »Deva war wirklich ein Schatz und hat sich um mich gekümmert. Und … ich bin so happy, hier zu sein«, fügte ich impulsiv hinzu. Mir war einfach danach, auszusprechen, was ich fühlte. Aryana strahlte mich an und Lukas kniff kumpelhaft ein Auge zu. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Nick mich befremdet musterte.
»Bist du sicher, dass du wieder fit bist? Du wirkst irgendwie so … anders«, meinte er und inspizierte mich von Kopf bis Fuß. Meine Euphorie bekam einen leichten Knacks, weil Nick schon wieder anfing zu nerven. Ich beschloss, einfach nicht darauf einzugehen. Stattdessen hockte ich mich zwischen Lukas’ und Aryanas Gemüsekörbe und streckte auffordernd die Hand aus.
»Wenn ihr noch ’n Schälmesser für mich habt, helfe ich euch, dann geht es schneller«, bot ich an.
Grinsend wühlte Lukas in seinem Korb und zauberte tatsächlich ein zusätzliches Messer hervor. »Da sagen wir doch nicht Nein«, witzelte er.
Auch Aryana ließ sich neben mir nieder. »Schön, dass es dir wieder gut geht«, sagte sie in ihrer netten Art, ehe sie sich einem Berg Gurken zuwandte, der noch darauf wartete, geschält zu werden.
Nur Nick stand immer noch da und glotzte auf mich herunter.
»Was ist«, fragte ich belustigt. »Willst du hier Wurzeln schlagen oder versuchst du nur, dich vor der Arbeit zu drücken?«
Mit einem gemurmelten »Aus dir soll einer schlau werden«, setzte er sich nun auch endlich hin und schabte heftig an einer großen Karotte herum. Ich seufzte stumm.
Nachdem wir mit dem Gemüse fertig waren und es in die Küche trugen, gelang es ihm, mich etwas von Lukas und Aryana abzudrängen. Er stellte sich vor mich hin und stemmte die linke Hand in die Seite.
»Raus mit der Sprache. Was ist mit dir los?«, bohrte er. Ich hatte keinen Schimmer, was er meinte.
»Wieso? Mit mir ist alles bestens«, gab ich zurück und wollte an ihm vorbei, aber er verstellte mir den Weg. »Na gut, ich sag’s dir ehrlich: Auf mich machst du den Eindruck, als hättest du gekifft. Die ganze Zeit grinst du so komisch … Hast du wirklich nichts genommen?«, meinte er skeptisch.
Eine leichte Gereiztheit störte mein Wattewolkengefühl. Ich runzelte die Stirn. Nur weil
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