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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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genauer ansehen. Aber die Zündkerzen funktionieren. Ich muss sie einfach wieder reinschrauben.«
    Ein Problem war aber damit noch nicht gelöst. »Und mit welcher Begründung sollen wir uns beide vom Acker machen, wenn uns jemand sieht? Hey, Leute, keine Panik, wir fahren nur mal schnell bei der Polente vorbei?«
    Nick musterte mich kopfschüttelnd. »Natürlich sagen wir niemandem was, sondern machen einfach die Biege. »Ich gehe jetzt, damit man uns nicht zusammen sieht. Wir essen später noch ganz normal mit den anderen zu Abend. Kein Mensch wird Verdacht schöpfen. Sobald es dunkel wird, düsen wir los.«
    Eigentlich hätte ich erleichtert sein müssen. Stattdessen fühlte ich aber etwas anderes: Angst. Auf einmal fürchtete ich mich, fortzugehen. Fast kam es mir vor, als würde ich mit der Oase eine schützende Burg verlassen und mich draußen einem Heer feindlicher Ritter und Drachen stellen müssen.
    »Aber was, wenn ich mir das alles wirklich nur eingebildet habe? Dann hetzen wir die Bullen auf für nichts und wieder nichts. Am Ende nehmen die dann die Oase aufs Korn und wenn rauskommt, dass wir noch nicht volljährig sind …«
    »Feline, hey! Mach mal ’nen Punkt«, unterbrach mich Nick. »Wieso solltest du dir das mit Mia eingebildet haben? Ich meine, eine Leiche im See zu finden, ist ein totaler Schock, da glaube ich nicht, dass man sich so was schnell mal ausdenkt!«
    Ich zuckte die Schultern. »Deva glaubt, ich war überreizt. Sie hat gesagt, ich hätte viel durchgemacht mit meiner Mutter und so … Na ja und Zeno meinte, an diesem Tag sei es sehr heiß gewesen und mein Kreislauf habe vielleicht …«
    »Quatsch«, fuhr Nick rüde dazwischen. »Die wollten dich nur ruhigstellen.«
    Ich zuckte zusammen, denn unwillkürlich musste ich an die weiße Kapsel denken, die ich immer noch in meiner Hosentasche mit mir herumtrug.
    »Diese Deva ist mir sowieso nicht ganz geheuer, genau wie der ganze Verein«, moserte Nick weiter. Und auf einmal wurde er sehr ernst. »Feline, merkst du nicht, was da abgeht?«, fragte er ruhig. »Wir dürfen nur vier oder fünf Stunden nachts schlafen. Zu essen kriegst du auch nichts Ordentliches, sondern immer nur diesen faden Einheitsbrei. Dafür schuften wir den ganzen Tag bei Bruthitze auf dem Feld oder in der Küche. Ich bin oft so fertig, dass ich fast einpenne, sobald ich beim Abendessen einen Stuhl unterm Hintern habe! Aber statt uns ein bisschen Ruhe zu gönnen, lässt uns Zeno dann noch bis spät nachts meditieren!«
    Ich sah ihn an. Die kurzen Nächte und die harte Arbeit machten mir auch immer noch zu schaffen, trotzdem wusste ich nicht, worauf er hinauswollte.
    »Kapierst du denn nicht – das hat System! Mit Schlaf- und Nahrungsentzug machen die uns zu Zombies, damit wir nicht nachdenken und ihre Methoden nicht infrage stellen können!«
    Ungläubig schüttelte ich den Kopf. »Aber warum sollten Deva und Zeno das machen?«, warf ich ein.
    Nick zuckte die Schultern. »Damit die Leute für sie arbeiten und Geld ranschaffen. Das ist bei denen oft so.«
    »Bei wem?«, fragte ich verständnislos. Ich stand offenbar echt auf dem Schlauch.
    Nick holte tief Luft. »Bei Sekten«, sagte er. Und noch ehe ich etwas einwerfen konnte, fuhr er hastig fort: »Ich musste mir im Reli-Unterricht mal ein Referat über dieses Thema anhören.« Er kam jetzt in Fahrt. »Ja, okay, keiner in der Oase redet von Gott, Jehova oder einem anderen Guru. Aber denk doch mal nach! Zeno tut, als wäre
er
der Erlöser! Nur er weiß, wo es langgeht, und dauernd redet er davon, wie böse die Welt ›da draußen‹ ist. Und seine Mutter tickt genauso! Merkst du nicht, wie die allen systematisch einreden, sie müssten zusammenhalten? Weil alles außerhalb ihrer Oase schlecht ist? Und nur das Leben in der ›Gemeinschaft‹ könne ihnen helfen? Damit sich keiner mehr traut, auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen! Sie sollen nämlich Angst haben, dass sie ohne ihre ›Gruppe‹ nichts sind!«
    Ich wollte etwas sagen, ihm widersprechen, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Tatsächlich fühlte ich mich unwohl bei dem Gedanken, abzuhauen. Schuldgefühle, Zweifel und Angst bildeten ein Knäuel, das sich in zähen Fäden um meine Füße wand, mich festhielt und daran hinderte, einfach mit Nick zusammen loszulaufen. Ein Sturmwind wirbelte wirre Bilder durch meinen Kopf: Zeno, der mich geküsst hatte, Deva mit dem Glas Saft in der Hand und dann waren da auch noch Urs und die Mädchen, die mich zu

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