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Moorseelen

Moorseelen

Titel: Moorseelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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ich starr vor Angst, dass er als Nächstes auf mich zeigen würde … Da wachte ich auf.
    Mit dem Gefühl, gerade durch einen riesigen Fleischwolf gedreht worden zu sein, schlurfte ich hinter den anderen her in den Frühstücksraum. Als Nick hereinkam versuchte ich, seinen Blick zu erhaschen, aber er ignorierte mich und setzte sich so weit weg wie möglich. Garantiert absichtlich. Wahrscheinlich dachte er, ich hätte ihn gestern veralbert oder hätte keine Lust mehr gehabt, auf ihn zu warten. Vielleicht hatte er mich sogar mit Zeno zusammen über den Platz gehen sehen und falsche Schlüsse gezogen. Jedenfalls war er offensichtlich sauer auf mich. Zu meiner Überraschung machte mir seine demonstrative Ablehnung zu schaffen. Nicht weil ich seine Sprüche vermisste, aber ich hatte das Gefühl, den einzigen Menschen verloren zu haben, dem ich in der Oase noch vertrauen konnte.
    Nach dem Porridge, der mir langsam wirklich zum Hals raushing, begleitete mich Aryana plaudernd aus dem Gemeinschaftsraum. Ich dachte mir zuerst nichts dabei, doch nachdem sie nicht mal von meiner Seite wich, während ich im Schlafsaal mein Bett machte, wurde ich stutzig. Und als sie mir erneut nach draußen folgte, wurde mir klar, dass mein nächtlicher Ausflug tatsächlich Zenos Argwohn geweckt hatte. Ich wollte ihr gerade einen ironischen Spruch mitgeben, als Juli auftauchte. Daraufhin verabschiedete sich Aryana mit einem fröhlichen Winken, doch ich hatte gesehen, wie die beiden Mädchen einen kurzen, einvernehmlichen Blick getauscht hatten. »Wachablösung«, dachte ich grimmig. Aber ich war machtlos. Auf keinen Fall durfte ich mir anmerken lassen, dass ich Zenos Spiel durchschaut hatte. Ich musste ihn und die Mädchen in Sicherheit wiegen. Nur so konnte es mir gelingen, in einem unbeobachteten Moment Nick von meinem Plan zu erzählen.
    Also machte ich mich mit Juli an meiner Seite brav auf den Weg in die Töpferwerkstatt, wo ich fertiges Tongeschirr einpacken sollte, damit es beim Transport zum Verkaufsstand nicht kaputt ging. Wann und wo ich eingeteilt wurde, schien vollkommen willkürlich zu sein. Den ganzen Nachmittag verbrachte ich damit, Vasen, Teller, Tassen und gebrannte, glasierte Teekannen sorgfältig in mehrere Lagen Papier einzuwickeln und in Kartons zu verstauen. Jedes Stück trug am Boden eingeritzt einen kleinen Delfin – das Zeichen der Oase. Jedes Mal, wenn mein Blick darauf fiel, verspürte ich einen Stich. Ließ es mich doch immer wieder an Zeno denken, und wie ich erst vorgestern über seine nackte Schulter und den dort eintätowierten Delfin gestrichen hatte.
    Juli saß an der Töpferscheibe. Sie schien ganz in der Herstellung neuer Stücke aufzugehen, aber ich bemerkte, dass sie mich immer wieder kurz aus den Augenwinkeln beobachtete. Da ich jedoch keinerlei Anstalten machte, herumzuzicken oder den Raum zu verlassen, entspannte sie sich zusehends.
    »So, Leute, Feierabend!« Lukas war in der Werkstatt aufgetaucht und klatschte in die Hände. Ich war heilfroh, doch Juli fluchte kurz. Ihr war der Schneidedraht gerissen, mit dem man das zum Arbeiten benötigte Stück Ton vom Klumpen trennte. Nun baumelten zwei nutzlose Stücke von den Holzgriffen.
    »Nimm Feline mit, ich hole noch schnell einen neuen Draht für morgen«, wies sie Lukas an und trabte Richtung Geräteschuppen davon, der alle möglichen Werkzeuge beinhaltete. Einem spontanen Impuls folgend wandte ich mich an Lukas.
    »Geh schon mal vor, ich muss mir noch die Hände waschen und ein bisschen aufräumen, sonst denkt Juli, ich hätte hier das volle Chaos hinterlassen«, sagte ich so unbefangen wie es nur ging. Offenbar hatte Lukas tatsächlich keine Ahnung von Zenos Bewachungsplan, denn er nickte arglos und verließ den Raum.
    Hastig wusch ich meine Hände unter dem Wasserhahn, dann flitzte ich zur Tür und spähte nach draußen. Lukas war schon weg, Juli noch nicht wieder zurück. Ich war alleine. Rasch verließ ich die Werkstatt. Ich wollte versuchen, Nick irgendwo zu finden und bog um die Ecke der Werkstatt, da rauschte er auf einmal schwungvoll von der andern Seite an. Beide bremsten wir abrupt, um nicht frontal ineinanderzuknallen.
    »Oh, heute mal ohne Mister Allwissend«, frotzelte er mit frostigem Gesichtsausdruck.
    Ich wurde ungeduldig. Ob er mich und Zeno gestern gesehen hatte, war mir jetzt egal. Für die Nummer der gekränkten Diva hatte ich wirklich keine Zeit. »Hör zu, ich wollte dich nicht verarschen«, begann ich hastig.
    »Was war denn gestern

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