MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Lösung vorschlagen?«
»Ich bitte darum«, rief Sulla, »was du willst!«
»Also gut. Die zweite unglückliche Frau ist meine Mutter. Sie ist nicht glücklich bei meinem Bruder Sextus und dessen Frau und Sohn. Meine Mutter und meine claudische Schwägerin vertragen sich hauptsächlich deshalb nicht, weil Mutter sich immer noch als Hausherrin betrachtet. Sie streiten ununterbrochen. Die Claudier sind eigensinnige und herrische Menschen, und die Frauen der Familie werden zur Mißachtung der alten weiblichen Tugenden erzogen. Mutter ist das genaue Gegenteil.« Traurig schüttelte Julia den Kopf.
Sulla beschränkte sich angesichts so viel weiblicher Logik darauf, verständnisvoll und gelassen dreinzuschauen.
»Mama hat sich nach Vaters Tod verändert«, fuhr Julia fort. »Ich glaube, keiner von uns wußte, wie stark das Band zwischen den beiden war, oder wie sehr Mutter sich auf Vaters Klugheit und Anleitung verließ. Deshalb ist sie jetzt so launisch und zappelig geworden und hat an allem etwas zu mäkeln - ihre Mäkeleien sind manchmal wirklich unerträglich! Als Gaius Marius merkte, wie gespannt die Lage zu Hause war, bot er Mutter an, ihr irgendwo eine Villa am Meer zu kaufen, damit der arme Sextus seine Ruhe hätte. Aber da ging Mutter auf ihn los wie eine fauchende Katze und sagte, sie wisse genau, wann sie nicht erwünscht sei, und ob man sie gleich wie eine Eidbrüchige behandeln dürfe, wenn sie keinen eigenen Haushalt mehr führe. Meine Güte!«
»Du willst damit wohl vorschlagen, daß ich Marcia zu mir und Julilla einlade«, sagte Sulla, »aber warum sollte sie das wollen, wenn schon die Villa am Meer nicht funktioniert hat?«
»Weil sie wußte, daß Gaius Marius sie mit seinem Vorschlag nur abschieben wollte, und sie ist viel zu streitsüchtig, um Sextus’ armer Frau einen Gefallen zu tun. Wenn du sie einlädst, bei dir und Julilla zu wohnen, ist das etwas ganz anderes. Erstens würde sie ja nur ein Haus weiter wohnen. Und zweitens wäre sie erwünscht. Nützlich. Und drittens könnte sie ein Auge auf Julilla haben.«
»Ob sie einwilligen würde?« Sulla kratzte sich am Kopf. »Von Julilla weiß ich, daß deine Mutter uns nie besucht, obwohl sie nur ein Haus weiter wohnt.«
»Julilla und sie streiten auch.« Julias Kummer war verflogen, und sie begann wieder zu lächeln. »Und wie! Julilla braucht nur zu sehen, wie Mutter zur Vordertür hereinmarschiert, und schon schickt sie sie wieder nach Hause. Aber wenn du sie einlädst, bei dir zu wohnen, kann Julilla nichts dagegen tun.«
Jetzt grinste auch Sulla. »Klingt, als wolltest du mein Haus zum Tartarus machen.«
Julia hob eine Augenbraue. »Ist das schlimm für dich, Lucius Cornelius? Schließlich bist du fort.«
Sulla tauchte seine Hände in die Wasserschale, die ein Sklave ihm entgegenhielt, dann zog auch er eine Augenbraue hoch. »Ich danke dir, Schwägerin.« Er stand auf, beugte sich vor und gab Julia einen Kuß auf die Wange. »Ich werde Marcia gleich morgen aufsuchen und sie bitten, bei uns zu wohnen. Und ich werde ihr ganz offensagen, warum ich das will. Solange ich meine Kinder liebevoll versorgt weiß, kann ich die Trennung von ihnen ertragen.«
»Werden sie von deinen Sklaven nicht gut versorgt?« Auch Julia stand auf.
»Die Sklaven verwöhnen und verhätscheln sie nur. Ich gebe zu, Julilla hat ein paar sehr nette Kindermädchen für sie gefunden. Aberdamit macht man doch auch Sklaven aus ihnen, Julia! - kleine Griechen oder Thraker oder Kelten oder sonst was. Die Kindermädchen stecken voller Aberglauben und fremder Bräuche und denken in ihrer Muttersprache, nicht in Latein, und ihre fernen Eltern und Verwandten sind für sie immer noch Autoritätspersonen. Ich will, daß meine Kinder ordentlich erzogen werden - nach römischer Art und von einer Römerin. Eigentlich sollten sie von ihrer Mutter erzogen werden. Aber da ich bezweifle, daß das je der Fall sein wird, kann ich mir niemand besseren vorstellen als ihre wackere Großmutter Marcia.«
»Gut.« Julia nickte.
Sie gingen zur Tür.
Dann fragte Sulla plötzlich: »Ist Julilla mir untreu?«
Julia spielte nicht die Entsetzte und war auch nicht verärgert. »Das bezweifle ich sehr, Lucius Cornelius. Ihr Laster ist der Wein, nicht die Männer. Du bist ein Mann, deshalb hältst du Männer für ein weit schlimmeres Laster als Wein. Ich bin anderer Meinung. Ich meine, Wein kann deinen Kindern mehr Schaden zufügen als Untreue. Eine untreue Frau hört nicht auf, sich um ihre Kinder
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