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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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ihren Inhalt kennen, aus dem einfachen Grund, weil dieses Haus wahrscheinlich binnen kurzem Gesandtschaften der italischen Völker empfangen muß, die in diesen Briefen ihrem Unmut Luft gemacht haben.«
    Dann änderte er seinen Ton, und seine Stimme hatte jetzt nichts Verbindliches mehr. »Aber im Ernst! Wir leben auf einer Halbinsel Tür an Tür mit unseren italischen Freunden - die keine Römer sind und nie Römer sein werden. Daß sie zu ihrer gegenwärtigen Bedeutung in der Welt aufgestiegen sind, beruht allein auf den großen Verdiensten Roms und der Römer. Daß italische Beamte in großer Anzahl in den Provinzen und Einflußgebieten Roms leben, beruht allein auf den großen Verdiensten Roms und der Römer. Das Brot auf dem Tisch, im Winter das Feuer im Keller, die Gesundheit und Zahl ihrer Kinder, alles verdanken sie Rom und den Römern. Vor Rom war das Chaos. Jeder gegen jeden. Vor Rom herrschten im Norden der Halbinsel die grausamen Etruskerkönige, im Süden die habgierigen Griechen. Von den Kelten in Gallien ganz zu schweigen.«
    Die Senatoren hatten sich wieder beruhigt. Wenn Gaius Marius ernst wurde, hörten ihm alle zu, auch seine hartnäckigsten Gegner. Der Soldat Marius mochte grob und direkt sein, aber er war ein wirkungsvoller Redner in seiner Muttersprache Latein, und solange er seine Gefühle im Zaum hielt, klang sein Akzent nicht merklich anders als der von Scaurus.
    » Patres conscripti , ihr und das römische Volk habt mich beauftragt, Rom - und Italien! - von den Germanen zu befreien. Ich werde so bald wie möglich in Begleitung meiner Legaten, des Proprätors Manius Aquilius und des tapferen Senators Lucius Cornelius Sulla, nach Gallia Transalpina aufbrechen. Auch wenn es unser Leben kostet, wir werden euch von den Germanen befreien und Rom - und Italien! - für immer sicher machen. Das gelobe ich euch, in meinem eigenen Namen, im Namen meiner Legaten und im Namen jedes einzelnen meiner Soldaten. Unsere Pflicht ist uns heilig. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Und vor uns her werden wir die silbernen Adler der Legionen Roms tragen, und unter diesem Zeichen werden wir siegen!«
    Die Hinterbänkler des Senats begannen, Bravo zu rufen und mit den Füßen zu trampeln, und einen Augenblick später klatschten auch die vorderen Reihen, sogar Scaurus. Nur Metellus Numidicus klatschte nicht.
    Marius wartete, bis wieder Stille eingekehrt war. »Bevor ich aufbreche, muß ich den Senat allerdings bitten, alles, was in seiner Macht steht, zu tun, um die Sorgen unserer italischen Bundesgenossen zu mildern. Der Behauptung, italische Truppen müßten in Feldzügen kämpfen, die unsere Bundesgenossen gar nicht betreffen, können wir natürlich nicht Glauben schenken. Wir können auch nicht auf Truppen verzichten, zu deren Stellung sich die italischen Bundesgenossen vertraglich verpflichtet haben. Die Germanen bedrohen unsere ganze Halbinsel, auch Gallia Cisalpina. Allerdings herrscht großer Mangel an Männern, die geeignet sind, in den Legionen zu dienen. Das gilt für unsere italischen Bundesgenossen nicht weniger als für Rom. Der Brunnen ist ausgetrocknet, Senatoren, und es wird einige Zeit dauern, bis das Grundwasser, das ihn versorgt, wieder gestiegen ist. Ich möchte unseren italischen Bundesgenossen aber mein persönliches Wort geben: Solange ich, der geringgeschätzte Feldherr, atme, werden keine italischen - oder römischen - Truppen mehr umsonst ihr Leben auf dem Schlachtfeld lassen. Ich werde das Leben jedes einzelnen Soldaten, den ich mitnehme, um meine Heimat zu verteidigen, mit mehr Ehrfurcht und Respekt behandeln als mein eigenes! Das gelobe ich.«
    Wieder ertönten Bravorufe und Fußgetrampel, und diesmal fielen die vorderen Reihen sofort ein. Nur Metellus Numidicus blieb stumm. Auch Catulus Caesar rührte sich nicht.
    Wieder wartete Marius, bis Stille eingekehrt war. »Man hat mich auf einen schweren Mißstand aufmerksam gemacht: daß wir, der Senat und das Volk von Rom, viele tausend Männer unserer italischen Bundesgenossen in Schuldknechtschaft gebracht und als Sklaven in die von uns beherrschten Länder rings um das Mittelmeer geschickt haben. Weil diese Männer meist Bauern sind, arbeiten sie gegenwärtig ihre Schulden auf den römischen Getreidefeldern in Sizilien, Sardinien, Korsika und Africa ab. Das, patres conscripti , ist nicht gerecht! Wenn wir römische Schuldner nicht mehr versklaven, dürfen wir auch unsere italischen Bundesgenossen nicht mehr versklaven. Nein, sie sind

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