MoR 01 - Die Macht und die Liebe
zukümmern, und brennt auch nicht das Haus nieder. Eine betrunkene Frau tut beides.« Sie klatschte in die Hände. »Aber das Wichtigste ist jetzt: Mama soll sich an die Arbeit machen!«
Gaius Marius stürmte ins Zimmer, bekleidet mit der vorgeschriebenen purpurgesäumten Toga und bereits jeder Zoll der Konsul. »Auf geht’s, Lucius Cornelius! Kehren wir zurück und beenden wir die Vorstellung, bevor die Sonne untergeht und der Mond heraufzieht!«
Frau und Schwager tauschten ein klägliches Lächeln aus, dann verließen die beiden Männer das Haus und machten sich auf den Weg zum Tempel des Jupiter Optimus Maximus.
Marius tat sein möglichstes, die italischen Bundesgenossen zu beschwichtigen. »Sie sind keine Römer«, sagte er im Senat, als die Senatoren an den Nonen des Januars zu ihrer ersten regulären Sitzung zusammentraten, »aber sie sind bei allem, was wir tun, unsere engsten Verbündeten, und sie bewohnen gemeinsam mit uns die italienische Halbinsel. Sie stellen wie wir Truppen zur Verteidigung Italiens, und sie haben große Opfer bringen müssen. Auch Rom hat große Opfer bringen müssen. Ihr wißt, patres conscripti , daß in der Versammlung der Plebs gegenwärtig ein wenig erfreuliches Verfahren läuft. Der Konsular Marcus Junius Silanus muß sich dort gegen einen vom Volkstribunen Gnaeus Domitius vorgebrachten Vorwurf verteidigen. Auch wenn das Wort ›Verrat‹ nicht ausgesprochen wurde, weiß doch jeder, worum es geht: Marcus Junius ist einer jener Konsuln und Feldherrn der letzten Jahre, die eine ganze Armee verloren haben, darunter Legionen unserer italischen Bundesgenossen.«
Marius sah Silanus an, der an diesem Tag im Senat anwesend war, weil die Nonen fasti waren - Geschäftstage -, an denen die Versammlung der Plebs nicht tagen konnte. »Ich bin heute nicht hier, um irgendeinen Vorwurf gegen Marcus Junius zu erheben. Ich stelle lediglich eine Tatsache fest. Sollen andere Behörden und andere Männer darum mit Marcus Junius prozessieren. Marcus Junius braucht sich vor mir hier und heute für das, was er getan hat, nicht zu rechtfertigen. Das stelle ich ausdrücklich fest.«
Er räusperte sich absichtlich, um Silanus Gelegenheit zur Entgegnung zu geben, aber Silanus schwieg mit versteinerter Miene und tat, als wäre Marius Luft. »Ich stelle lediglich eine Tatsache fest, eingeschriebene Väter. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Tatsache ist eine Tatsache.«
»So mach doch weiter!« sagte Metellus Numidicus verärgert.
Marius verbeugte sich tief und lächelte breit. »Besten Dank, Quintus Caecilius! Wie könnte ich anders, als mich der Aufforderung eines so hoch geschätzten und so hoch verehrten Konsulars zufügen?«
»›Hochgeschätzt‹ und ›hochverehrt‹ bedeuten dasselbe, Gaius Marius«, sagte der pontifex maximus Metellus Delmaticus, nicht weniger verärgert als sein jüngerer Bruder. »Du könntest dieser Versammlung beträchtlich Zeit ersparen, wenn du ein weniger blumiges Latein sprechen würdest.«
»Ich bitte den hochgeschätzten und hochverehrten Konsular Lucius Caecilius um Verzeihung« - Marius verbeugte sich noch einmal tief -, »aber in unserer höchst demokratischen Gesellschaft steht der Senat allen Römern offen, auch denen, die wie ich nicht beanspruchen können, hochgeschätzt und hochverehrt zu sein.« Er tat, als müßte er überlegen, und runzelte die Augenbrauen, bis sie sich über der Nase trafen. »Wo war ich stehengeblieben? Ach ja! Die Italiker stellen wie wir Römer Truppen zur Verteidigung Italiens. Nun haben die Magistrate der Samniten, Apulier, Marser und anderer vor kurzem in einer Flut von Briefen dagegen protestiert.« Marius nahm ein Bündel kleiner Schriftrollen, das ihm einer seiner Sekretäre reichte, und hielt es hoch, damit alle Senatoren es sehen konnten. »Unsere Bundesgenossen bestreiten, daß wir berechtigt sind, von ihnen zu verlangen, daß sie Truppen für Feldzüge außerhalb der Grenzen von Italien und Gallia Cisalpina stellen. Die italischen Bundesgenossen, hochgeschätzte und hochverehrte Väter, behaupten, daß sie für Roms, ich zitiere: ›ausländische Kriege‹ Truppen zur Verfügung stellen mußten und dabei viele tausend Soldaten verloren haben!«
Unter den Senatoren breitete sich Unruhe aus.
»Das ist eine völlig haltlose Unterstellung!« bellte Scaurus. »Die Feinde Roms sind auch die Feinde Italiens.«
»Ich zitiere lediglich aus den Briefen, Vorsitzender Marcus Aemilius«, sagte Marius besänftigend. »Wir müssen
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