MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Schnecken eine senkrechte Wand hinaufklettern konnte. Ich weiß jetzt, warum wir nicht zu fürchten brauchen, daß die Germanen auf diesem Weg kommen. Mag sein, daß sie zunächst den Küstenweg einschlagen, aber nur ein paar Tage, und dann wird ein Kundschafter, der vorausreitet, sie wieder zurückschicken. Was für uns schwer ist, ist für sie unmöglich. Gut!«
Marius wandte sich an Sertorius, der trotz seines untergeordneten Ranges eine privilegierte Stellung genoß, die er allein seinen Verdiensten verdankte. »Quintus Sertorius, mein Junge, wo, glaubst du, befindet sich der Troß?«
»Ich würde sagen, in Anbetracht des schlechten Zustands der Via Aurelia irgendwo zwischen Populonia und Pisae.«
»Wie geht es deinem Bein?«
»Einen solchen Ritt hält es noch nicht aus.« Sertorius schien immer schon im voraus zu wissen, was Marius wollte.
»Dann suche dir drei Leute, die reiten können, und schicke sie mit dieser Botschaft zurück.« Marius griff nach einigen durch eine Schnur verbundenen Wachstafeln, die neben ihm lagen.
Sulla stieß einen zufriedenen Seufzer aus. »Du schickst den Troß also die Via Cassia nach Florentia hinauf und dann die Via Annia nach Bononia und über den Paß Mons Genava.«
»Vielleicht brauchen wir die Balken, Bolzen, Kräne und Seile ja noch«, sagte Marius. Er schlug mit dem Rücken seiner Finger auf eine Tafel, um seinen Siegelring in das Wachs zu drücken, dann schloß er das Heft und gab es Sertorius. »Hier. Und sorge dafür, daß die Tafeln zugebunden und noch einmal versiegelt werden. Ich will nicht, daß ein Neugieriger seine Nase hineinsteckt. Die Tafeln sind Manius Aquilius persönlich zu übergeben, verstanden?«
Sertorius nickte und verließ das Feldherrnzelt.
»Jetzt zu den Soldaten«, sagte Marius zu Sulla. »Es gibt jede Menge Arbeit, während wir marschieren. Schicke die Landvermesser voraus. Wir machen einen anständigen Weg, wenn schon keine richtige Straße.«
Die Bewohner Liguriens verdienten sich ihren Unterhalt, wie die Einwohner anderer bergiger Gegenden, in denen Ackerland rar war, als Hirten, Banditen und Piraten oder, wie Publius Vagiennius, als Soldaten der römischen Hilfslegionen und der Reiterei. Wo Marius Schiffe und ein Dorf mit einem Hafen sah und die Schiffe nicht eindeutig Fischerboote waren, sondern eher wie Piraten- und Kaperschiffe wirkten, brannte er Schiffe und Dorf nieder. Die Männer nahm er als Straßenarbeiter mit, Frauen, alte Männer und Kinder ließ er zurück. Aus den Berichten seiner Spione in Arausio, Valentia, Vienna und sogar Lugdunum ging inzwischen immer klarer hervor, daß es in diesem Jahr nicht mehr zu einem Zusammenstoß mit den Germanen kommen würde.
Anfang Juni, nach viermonatigem Marsch, zog Marius mit seinen vier Legionen in die weite Küstenebene von Gallia Transalpina hinab. An einem Ort im dicht besiedelten Land zwischen Arelate und Aquae Sextae, in der Nähe der Stadt Glanum und südlich des Flusses Durance, ließ er anhalten. Der Troß war erwartungsgemäß vor ihm eingetroffen, er hatte auf der Straße nur dreieinhalb Monate gebraucht.
Marius wählte die Stelle für das Lager mit größter Sorgfalt aus, abseits des Ackerlands auf einem großen Hügel mit mehreren guten Quellen. Der Hügel fiel nach drei Seiten steil ab, und nach der vierten Seite war er so flach und breit, daß er den schnellen Einzug der Truppen oder den schnellen Auszug nicht behinderte.
»Hier werden wir viele Monde verbringen.« Marius nickte zufrieden. »Hier bauen wir ein zweites Carcasso.«
Sulla und Manius Aquilius sagten nichts, aber Sertorius konnte nicht an sich halten.
»Brauchen wir das?« fragte er. »Wenn wir deiner Meinung nach viele Monde in dieser Gegend bleiben, wäre es nicht leichter, die Truppen in Arelate oder Glanum einzuquartieren? Und warum überhaupt hier bleiben? Warum suchen wir die Germanen nicht und stellen sie in der Schlacht, bevor sie hierher kommen können?«
»Sertorius, mein Junge, es scheint, daß die Germanen sich in alle Richtungen zerstreut haben«, sagte Marius. »Die Kimbern, die zunächst entschlossen schienen, dem Lauf der Rhône zu folgen, haben ihre Absicht geändert und sind auf der anderen Seite der Cevennen durch das Land der Arverner gezogen, vermutlich mit dem Ziel Spanien. Die Teutonen und Tiguriner haben das Land der Häduer verlassen und sind zu den Belgen gezogen. Das sagen zumindest meine Berichte. Aber ich glaube, man kann nur Vermutungen anstellen.«
»Können wir nichts
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