MoR 01 - Die Macht und die Liebe
Sinn für Benimm und Anstand überwiegt! Lieber stimme ich einem Gesetz des Saturninus zu! Es drückt wenigstens tiefverwurzelte Bedürfnisse des Volkes aus. Aber das hier, diese - Posse? Krasse Verantwortungslosigkeit! Ich hätte nicht übel Lust, Quintus Servilius ins Exil zu folgen, so sehr schäme ich mich.«
Aber je mehr Metellus Numidicus sich in seine Wut hineinsteigerte, desto heftiger lachte Scaurus. Ächzend hielt er sich die Seiten und sah Metellus Numidicus durch einen Vorhang von Tränen an. Schließlich brachte er japsend heraus: »Hör doch endlich auf, dich wie eine alte Vestalin aufzuführen, die zwei behaarte Eier und einen steifen Schwanz sieht! Es ist zum Totlachen. Und wir verdienen alles, was er uns austeilt!«
Er brach erneut in Gelächter aus. Metellus Numidicus gab einen schrillen Laut von sich wie eine Katze, der jemand auf den Schwanz getreten ist, und stelzte beleidigt davon.
Im September bekam Publius Rutilius Rufus einen der seltenen Briefe von Gaius Marius.
Ich weiß, daß ich öfter schreiben sollte, alter Freund, aber das Problem ist, ich bin kein guter Briefeschreiber. Deine Briefe dagegen sind wie Schwimmkorken, die man einem Ertrinkenden zuwirft. Jede Zeile ist wie du selbst: frei von überflüssigen Passagen, Plattitüden und Phrasen. Hast Du gemerkt? Jetzt ist mir immerhin eine Alliteration geglückt. Aber Du ahnst nicht, wieviel Mühe mich das gekostet hat.
Sicher bist Du wieder im Senat gewesen und hast das Gegrunze von unserem Freund Metellus Schweinebacke über Dich ergehen lassen müssen. Wahrscheinlich hat er sich wieder darüber beklagt, daß meine Proletarierarmee soviel kostet und nun schon das zweite Jahr tatenlos jenseits der Alpen herumsteht? Aber im Ernst: Wie bringe ich es fertig, daß ich zum vierten Mal als Konsul gewählt werde, das dritte Mal hintereinander? Denn ich muß gewählt werden, sonst verliere ich alles, was ich jetzt gewinnen kann. Nächstes Jahr Publius Rutilius, ist das Jahr der Germanen. Ich spüre es in den Knochen. Ja, ich gebe zu, daß ich keine Beweise für die Richtigkeit meines Gefühls habe, aber ich bin sicher daß Lucius Cornelius und Quintus Sertorius es bestätigen werden, wenn sie zurückkommen. Ich habe nichts von ihnen gehört, seit sie mir letztes Jahr König Copillus gebracht haben. Natürlich freue ich mich, daß meine beiden Volkstribunen die Verurteilung des Quintus Servilius Caepio erreicht haben, aber es tut mir leid, daß ich nicht selbst mit Copillus als Zeuge dabeisein konnte. Egal. Quintus Servilius hat seine gerechte Strafe bekommen. Es ist nur schade, daß Rom von dem Gold von Tolosa nie etwas sehen wird.
Das Leben hier geht seinen gewohnten Gang. Die Via Domitia ist jetzt die ganze Strecke von Nemausus bis Ocelum in tadellosem Zustand, so daß die Legionen es hier in Zukunft sehr viel leichter haben werden. Man hat die Straße verkommen lassen. An einigen Abschnitten ist nichts getan worden, seit der tata unseres neuen pontifex maximus vor fast zwanzig Jahren hier durchkam. Überschwemmungen, Frost und heftige Regenfälle haben einen schrecklichen Tribut gefordert. Zwar mußten wir keine neue Straße bauen, denn wenn die Steine für die Straßenbettung einmal an Ort und Stelle liegen, ist eine Grundlage für immer geschaffen. Aber schließlich kann man nicht erwarten, daß Männer, Wagen und Pferde wohlbehalten über ein holpriges Pflaster aus grobem Schotter ziehen, nicht wahr? Der Straßenbelag aus Sand und Kies muß glatt sein wie ein Ei. Man muß ihn mit Wasser feuchthalten, bis er so hart zusammengebacken ist wie Beton. Glaub mir, der gegenwärtige Zustand der Via Domitia macht meinen Männern alle Ehre.
Übrigens haben wir auch eine neue Dammstraße über die Rhône-Marschen von Nemausus nach Arelate gebaut. Und gerade vor ein paar Tagen haben wir einen neuen Kanal vom Meer nach Arelate fertiggestellt. Der Kanal ermöglicht es Schiffen, die Sümpfe, Schlammzonen und Sandbänke des natürlichen Wasserlaufs zu umgehen. Die griechischen Geschäftsleute von Massilia kriechen mir vor Dankbarkeit förmlich in den Arsch - Schleimer und Heuchler allesamt! Soviel ich weiß, hat ihre Dankbarkeit in keinem einzigen Fall zu einem Preisnachlaß bei den Waren geführt, die sie meiner Armee verkaufen!
Ich will Dir auch berichten, was mit Gaius Lusius passiert ist, für den Fall, daß Du eine verzerrte Version davon hörst - Nachrichten über mich und meine Anhänger werden ja eigentlich immer verzerrt. Erinnerst Du
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