MoR 02 - Eine Krone aus Gras
verbannen, denn als solches habe ich deine Abordnung nach Spanien immer verstanden. Aber wenigstens hat dieser Spanienaufenthalt Wunder gewirkt. Hätte Gaius Marius damals von Schweinebacke die Unterstützung erfahren, die du heute von Titus Didius erhältst, hätte er es leichter gehabt.
Jetzt zu den internationalen Neuigkeiten. Der alte Nikomedes von Bithynien ist jetzt doch im gesegneten Alter von ungefähr dreiundneunzig Jahren gestorben. Der Sohn seiner schon lange verstorbenen Königin, der mit seinen fünfundsechzig Jährchen wahrlich auch kein Jüngling mehr ist, hat den Thron bestiegen, aber ein jüngerer Sohn, der so um die siebenundfünfzig ist und Sokrates heißt — der ältere heißt Nikomedes wie sein Vater und wird als Nikomedes III. in die Annalen eingehen —, hat sich beim Senat beschwert und verlangt, man möge Nikomedes III. des Amtes entheben und statt dessen ihn als König einsetzen. Der Senat kümmert sich kaum um die ganze Angelegenheit, da er die Außenpolitik für unwichtig hält. Auch in Kappadokien kriselt es. Offensichtlich hat die dortige Bevölkerung ihren kindlichen König vom Thron vertrieben und statt dessen einen gewissen Ariarathes VIII. zum König gemacht. Dieser ist freilich kürzlich ums Leben gekommen — unter mysteriösen Umständen, heißt es —, und der Kind-König und sein Bevollmächtigter Gordios haben das Land mit Hilfe des Mithridates von Pontos und der pontischen Armee wieder unter Kontrolle.
Als Gaius Marius damals aus Kappadokien zurückkehrte, hielt er vor dem Senat eine Rede, in der er uns vor dem gefährlichen jungen König Mithridates von Pontos warnte. Wer sich damals überhaupt die Mühe machte, zu der eigens einberufenen Sitzung zu erscheinen, döste während Marius’ Rede gelangweilt vor sich hin, und der Senatsvorsitzende Scaurus meinte schließlich, er halte dessen Warnungen für übertrieben. Es scheint, daß der junge König von Pontos Scaurus mit einigen höflich formulierten Briefen in geschliffenem Griechisch umworben hat, die mit Zitaten von Homer, Hesiod, Aischylos, Sophokles und Euripides gespickt sind, von Menander und Pindar ganz zu schweigen. Aufgrund dieser Briefe ist Scaurus wohl zu dem Schluß gekommen, daß wir es in diesem Fall einmal nicht mit einem der üblichen orientalischen Potentaten zu tun haben, sondern mit einem netten jungen Mann, der lieber die Klassiker liest, als seiner Großmutter einen Spieß in den Hintern zu rammen. Wohingegen Gaius Marius glaubt, daß der sechste Mithridates, der sich zu allem Übel auch noch Eupator nennen läßt, seine Mutter hat verhungern lassen, den Bruder ermordet hat, der unter der Regentschaft seiner Mutter König war, und außerdem mehrere Onkel und Vettern aus dem Weg geräumt hat. Zu guter Letzt hat er auch noch seine Schwester, mit der er verheiratet war, beseitigt. Du siehst, ein netter Bursche, und obendrein in den Klassikern bewandert.
Politisch gesehen gibt es in Rom nur Nichtstuer, denn es geschieht rein gar nichts. Dagegen tut sich an der juristischen Front schon mehr. Der Senat hat zwei Jahre hintereinander Sondergerichte ausgeschickt, um die Masseneintragung von Italikern in die römischen Bürgerlisten zu untersuchen, und auch dieses Jahr waren, wie schon im Vorjahr, nur wenige der Registrierten noch an Ort und Stelle greifbar. Jedoch hat es mehrere hundert Schuldsprüche gegeben, was bedeutet, daß mehrere hundert blutende arme Teufel auf das römische Schuldnerkonto geschrieben werden können. Ich sage Dir, Lucius Cornelius, es läuft einem kalt den Rücken hinunter, wenn man sich als Römer allein an einem von Italikern bevölkerten Ort aufhält. Ich habe noch nie derart bitterböse Blicke auf mich gerichtet gesehen und so wenig Hilfsbereitschaft von seiten der Italiker erlebt. Es ist wahrscheinlich lange her, daß sie uns gern gehabt haben, aber seit wir diese Gerichte eingerichtet und damit begonnen haben, die Leute zu prügeln und sie ihres Besitzes zu berauben, hassen die Italiker uns. Das einzig Ermutigende ist im Moment, daß die Hüter des Staatsschatzes allmählich protestieren, weil die Strafgelder bei weitem nicht ausreichen, um die zehn kostspieligen senatorischen Richtergremien in die Provinz zu schicken. Gaius Marius und ich wollen gegen Ende des Jahres einen Antrag in den Senat einbringen, in dem wir vorschlagen, die zur Durchführung der lex Licinia Mucia eingerichteten Gerichtshöfe aufzulösen, weil sie nichts bewirken und teuer sind.
Ein neuer und junger
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