MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sich hinter meiner Fassade?«
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Das behalte ich lieber für mich, Lucius Cornelius. Etwas in mir sagt mir, daß das sicherer ist.«
»Sicherer?«
Sie zuckte die Schultern. »Warum ich dieses Wort benutze, willst du wissen? Ich weiß es auch nicht. Eine Vorahnung? Oder wahrscheinlich etwas weit Zurückliegendes. Für Vorahnungen bin ich nicht spontan genug.«
»Wie geht es deinen Kindern?« Sulla lenkte das Gespräch nun seinerseits auf ein sichereres Thema.
»Willst du sie sehen?«
»Warum nicht? Meine eigenen haben mich sehr überrascht, das kann ich dir sagen. Es wird mir schwerfallen, zu Marcus Aemilius Scaurus höflich zu sein. Vier Jahre, Aurelia! Sie sind fast schon erwachsen, und ich habe es nicht mitbekommen.«
»Das geht den meisten römischen Männern unserer Klasse so, Lucius Cornelius«, sagte Aurelia beschwichtigend. »Wahrscheinlich wärst du auch nicht hiergewesen, wenn die Geschichte mit Delmatica nicht passiert wäre. Freue dich deiner Kinder, solange du kannst, und ärgere dich nicht über Dinge, die du nicht ändern kannst.«
Er zog seine feinen, hellen Augenbrauen, die er künstlich nachdunkelte, nach oben. »Es gäbe vieles, das ich in meinem Leben ändern würde. Das ist das Problem, Aurelia. Ich bedaure so viel.«
»Dann bedaure es eben, wenn du nicht anders kannst, aber laß dir das Heute und Morgen dadurch nicht vermiesen«, sagte sie praktisch. »Denn sonst, Lucius Cornelius, läßt dich die Vergangenheit nie los. Und du hast noch einen weiten Weg vor dir, das habe ich dir ja schon öfter gesagt. Das Rennen hat noch kaum begonnen.«
»Fühlst du das?«
»Ganz intensiv.«
Und dann marschierten ihre drei Kinder herein, die alle nach dem Vater geraten waren. Julia Major, genannt Lia, war zehn, Julia Minor, genannt Ju-Ju, fast acht. Beide Mädchen waren groß, schlank und anmutig. Sie glichen Sullas verstorbener Frau Julilla, nur hatten sie blaue Augen. Der junge Caesar war sechs. Wie er es schaffte, noch hübscher zu erscheinen als seine Schwestern, wußte Sulla nicht zu sagen. Er spürte es nur. Natürlich war es eine durch und durch römische Schönheit. Alle Caesars waren Römer vom Scheitel bis zur Sohle. Das also war der Junge, von dem Publius Rutilius Rufus berichtet hatte, er könne alles vom Blatt lesen. Das deutete auf eine außerordentliche Intelligenz hin. Freilich konnte noch viel passieren, das den Verstand des jungen Caesar trüben würde.
»Kinder, das ist Lucius Cornelius Sulla«, stellte Aurelia ihn vor.
Die Mädchen murmelten scheu eine Begrüßung, wohingegen der junge Caesar ihn mit einem Lächeln bedachte, daß ihm der Atem stockte. Sulla war auf eine Art und Weise berührt, wie es ihm seit seiner ersten Begegnung mit Metrobius nicht mehr passiert war. Die Augen des jungen Caesar glichen den seinen. Sie waren blaßblau mit einem dunkleren Ring und sprühten vor Intelligenz. Ich hätte dieses Kind sein können, dachte Sulla, wenn ich eine so wunderbare Mutter wie Aurelia und nicht einen Trunkenbold zum Vater gehabt hätte. Ein Gesicht, das Athen in Flammen setzt, und dazu Verstand.
»Es heißt, mein Junge, du seist sehr gescheit.«
Das Lächeln machte einem Lachen Platz. »Dann hast du bestimmt nicht mit Marcus Antonius Gnipho gesprochen«, sagte der junge Caesar.
»Wer ist das?«
»Mein Lehrer, Lucius Cornelius.«
»Kann deine Mutter dich nicht noch zwei oder drei Jahre selbst unterrichten?«
»Ich glaube, ich habe sie mit meinen vielen Fragen schon als kleiner Junge verrückt gemacht. Deshalb hat sie sich nach einem Lehrer für mich umgesehen.«
»Was heißt >als kleiner Junge Bist du denn keiner mehr?«
»Dann eben als ganz kleiner Junge«, sagte er schlagfertig.
»Du bist altklug.«
»Nein, nicht dieses Wort!« sagte der junge Caesar beleidigt. »So werden immer hochmütige kleine Mädchen genannt, die wie ihre Großmütter klingen.«
»Aha!« meinte Sulla interessiert. »Das hast du nicht aus Büchern. Du weißt also deine Augen zu gebrauchen und kannst selbständig denken.«
»Natürlich«, sagte der junge Caesar überrascht.
»Genug jetzt. Marsch in eure Zimmer, alle miteinander!« sagte Aurelia.
Die Kinder zogen ab, der junge Caesar lächelte Sulla über die Schulter zu, bis er dem Blick seiner Mutter begegnete.
»Wenn er nicht vorher verglüht, wird er entweder eine Zierde seiner Klasse oder ein Dorn in ihrem Fuß«, meinte Sulla.
»Hoffentlich eine Zierde«, sagte Aurelia.
»Wir werden sehen.«
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