Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
Kindern, die in der Zwischenzeit so gewachsen waren, daß ihm die Tränen in die Augen stiegen. Vier Jahre ihres jungen Lebens waren ihm wegen eines dummen Mädchens entgangen, dem er immer noch nachtrauerte. Cornelia Sulla war jetzt dreizehn und hatte schon so viel von der fragilen Schönheit ihrer Mutter und dem vollen rotgoldenen Haar ihres Vaters, daß sie Männern den Kopf verdrehen konnte. Aelia berichtete ihm, daß sie bereits regelmäßig menstruierte, und die knospenden Brüste unter ihrem schlichten Gewand sagten ihm, daß sie recht hatte. Beim Anblick seiner Tochter fühlte Sulla sich alt, ein ihm völlig neues und höchst unangenehmes Gefühl. Aber dann lächelte sie ihn mit dem bezaubernden Lächeln ihrer Mutter an und rannte ihm entgegen. Sie war fast gleich groß wie er und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. Sein Sohn war zwölf, und sah in fast allem aus wie ein Caesar — rotgoldene Haare und blaue Augen, langes Gesicht und eine lange Höckernase, groß und schlank, aber dennoch muskulös.
    Und in ihm fand Sulla endlich den langersehnten Freund. Es war eine so vollkommene, reine, unschuldige, von Herzen kommende Freundschaft, daß Sulla an nichts anderes mehr denken konnte, obwohl er sich jetzt eigentlich darauf konzentrieren mußte, die Wähler zu umwerben. Der junge Sulla trug noch die purpurgesäumte Toga des Knaben und einen magischen Talisman, die bulla, um den Hals, der ihn vor dem bösen Blick bewahren sollte. Er begleitete seinen Vater überallhin, blieb ernst neben ihm stehen und lauschte aufmerksam den Gesprächen, die sein Vater führte. Abends unterhielten sie sich dann in Sullas Arbeitszimmer über die Ereignisse des Tages, die Menschen und die Stimmung auf dem Forum.
    Nur in die Subura nahm Sulla seinen Sohn nicht mit. Dorthin ging er allein, und er war überrascht, als ihn unterwegs ab und zu jemand aus der Menge grüßte oder ihm auf die Schulter klopfte. Er wurde also allmählich bekannt und nahm dies als gutes Omen. Zuversichtlicher als noch beim Verlassen seines Hauses auf dem Palatin klopfte er an Aurelias Tür. Und wirklich ließ ihn der Verwalter Eutychus auch sofort ein. Da Sulla keinerlei Schamgefühl hatte, war er nicht verlegen, als er im Empfangsraum auf die Hausherrin wartete. Als sie dann aus ihrem Arbeitszimmer trat, streckte er einfach die Hand aus und lächelte. Sie erwiderte sein Lächeln.
    Wie wenig sie sich verändert hatte, und gleichzeitig wieviel. Wie alt war sie inzwischen? Neunundzwanzig? Dreißig? Helena von Troja, gib deinen Lorbeerkranz ab, dachte er. Hier ist die Schönheit in Person. Die purpurfarbenen Augen waren noch größer, die schwarzen Wimpern so dicht und die Haut so gesund und rosig wie immer, und Aurelia strahlte mehr denn je eine undefinierbare Würde und Gefaßtheit aus.
    »Verzeihst du mir?« Er nahm ihre Hand und drückte sie.
    »Natürlich, Lucius Cornelius! Wie könnte ich dich weiterhin einer Schwäche beschuldigen, die in mir selbst ihre Ursache hatte?«
    »Soll ich es nochmal versuchen?« fragte der robuste Mann.
    »Nein, danke.« Sie setzte sich. »Wein?«
    »Ja, gern.« Er sah sich um. »Bist du immer noch allein, Aure- lia?«
    »Ja, aber völlig zufrieden, kann ich dir versichern.«
    »Du bist wirklich der selbstgenügsamste Mensch, dem ich je begegnet bin. Gäbe es da nicht diese eine Geschichte, müßte ich wirklich glauben, du seist ein Unmensch — oder ein Übermensch. Deshalb bin ich froh über das, was zwischen uns passiert ist. Man kann doch nicht mit einer Göttin befreundet sein, oder?«
    »Oder mit einem Dämon, Lucius Cornelius«, entgegnete sie.
    Er lachte. »Also gut, ich gebe auf.«
    Der Wein wurde hereingebracht und eingeschenkt. Sulla nippte an seinem Becher und sah Aurelia über den Rand hinweg an, hinter einem Schleier kleiner violetter Blasen, die aus dem leicht moussierenden Wein aufstiegen. Vielleicht waren es sein innerer Friede und die Freude über die Freundschaft mit seinem Sohn, die seinen Augen neue Sehkraft verliehen. Sein Blick drang in ihre Gedanken ein und in die dahinterliegenden Tiefen, wo er auf komplexe Zusammenhänge, Eventualitäten und Rätsel stieß, die nach logischen Gesichtspunkten in verschiedene Kategorien geordnet waren.
    Er blinzelte mit den Augen. »Bei dir gibt es keine falsche Fassade. Du bist genau das, was du scheinst.«
    »Das will ich doch hoffen«, sagte sie lächelnd.
    »Die meisten von uns können das nicht von sich behaupten, Aurelia.«
    »Du sicher nicht.«
    »Und was verbirgt

Weitere Kostenlose Bücher