MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sie zur Welt bringen mußte. Zum ersten Mal hatte sie bei der Geburt so gelitten, daß sie mit Schrecken an die zurückliegenden Stunden dachte.
Erst ein paar Tage später durften ihre anderen Kinder sie besuchen. Cratippus mußte den Haushalt, dem Livia Drusa inzwischen als Hausherrin vorstand, derweil allein organisieren.
Wie nicht andere zu erwarten, blieb Servilia in der Tür stehen und weigerte sich, die Existenz ihres Halbbruders anzuerkennen. Lilla, die immer stärker von ihrer älteren Schwester beeinflußt wurde, blieb anfangs ebenfalls abseits stehen, ließ sich aber durch das Drängen ihrer Mutter dazu bewegen, das dürre, sich windende Würmchen in Livia Drusas Armen zu küssen. Porcia, Porcella genannt, war mit ihren vierzehn Monaten zu klein, um ihre Mutter am Wochenbett zu besuchen. Nicht so der junge Caepio, der soeben drei geworden war. Er war begeistert von seinem kleinen Bruder und konnte nicht genug von ihm bekommen. Er wollte ihn halten, liebkosen und küssen.
»Er gehört mir!« erklärte er und wehrte sich mit Händen und Füßen, als ihn das Kindermädchen schließlich aus dem Zimmer der Wöchnerin zerrte.
»Ich werde ihn deiner Obhut anvertrauen, mein kleiner Quintus«, sagte Livia Drusa. Sie war außerordentlich dankbar, daß zumindest eines der Geschwister den jungen Cato uneingeschränkt angenommen hatte. »Du wirst die Verantwortung für ihn übernehmen.«
Servilia war nicht hereingekommen, blieb aber im Türrahmen stehen, bis Lilla und der junge Caepio fort waren. Dann ging sie ein Stück auf das Bett ihrer Mutter zu. Sie musterte ihre Mutter spöttisch und stellte mit Befriedigung fest, daß Livia Drusa abgespannt und müde aussah.
»Du stirbst«, sagte Servilia gehässig.
Livia Drusa stockte der Atem. »Unsinn!« sagte sie scharf.
»Doch, du stirbst«, beharrte die Zehnjährige. »Ich habe mir gewünscht, daß das geschieht, und deshalb geschieht es auch. Bei Tante Servilia Caepionis habe ich es mir auch gewünscht, und sie ist gestorben.«
»Du redest dummes und böses Zeug daher«, sagte Livia Drusa mit stark klopfendem Herzen. »Unsere Wünsche allein lassen die Dinge nicht geschehen. Und wenn doch, handelt es sich um einen puren Zufall. Schicksal und Glück haben zusammengewirkt, nicht du! Du bist nicht wichtig genug, als daß das Schicksal und das Glück auf dich Rücksicht nehmen würden.«
»Gib dir keine Mühe, mich überzeugst du nicht. Ich habe den bösen Blick! Wenn ich Leute verwünsche, dann sterben sie«, sagte das Kind haßerfüllt und verschwand.
Livia Drusa lag bewegungslos und mit geschlossenen Augen im Bett. Es ging ihr nicht gut. Seit der Geburt des jungen Cato hatte sie sich nicht mehr richtig gesund gefühlt. Dennoch mochte sie nicht glauben, daß Servilia daran schuld war. Zumindest wollte sie sich das nicht eingestehen.
Während der nächsten Tage verschlechterte sich Livia Drusas Gesundheitszustand alarmierend. Man stellte eine Hebamme für den kleinen Cato ein, und er wurde aus dem Zimmer seiner Mutter geholt. Der kleine Caepio stürzte sich gleich auf ihn und kümmerte sich um ihn.
Apollodorus Siculus sagte besorgt zu Marcus Livius: »Ich fürchte um ihr Leben, Marcus Livius. Sie hat zwar keine starke, aber doch eine beständige Blutung, die sich offensichtlich durch nichts stillen läßt. Sie hat Fieber, und das Blut ist mit übelriechenden Absonderungen vermischt.«
»Was ist bloß an mir?« rief Drusus und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Warum sterben um mich herum alle?«
Diese Frage konnte ihm natürlich keiner beantworten. Drusus wollte auch nicht an den bösen Blick seiner Nichte Servilia glauben, von dem ihm Cratippus berichtete, der das Mädchen haßte. Dennoch verschlechterte sich Livia Drusas Gesundheitszustand weiterhin.
Das schlimmste, dachte Drusus, war, daß es in seinem Haus außer seiner Schwester keine andere Frau mehr gab, von den Sklavinnen abgesehen. Cato Salonianus war sooft wie möglich bei seiner Frau, aber Servilia mußte von ihr ferngehalten werden, und sowohl Drusus als auch Cato hatten den Eindruck, daß Livia Drusa sich nach einer anderen Frau sehnte. Wahrscheinlich nach Servilia Caepionis. Drusus weinte. Dann beschloß er, etwas zu unternehmen.
Tags darauf betrat er ein Haus, das er noch nie in seinem Leben betreten hatte: das Haus seines Bruders Mamercus Aemilius Lepidus Livianus. Sein Vater hatte allerdings gesagt, daß Mamercus nicht sein richtiger Bruder sei. Aber das war lange her. Würde man ihn
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