MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Männer in Philippus’ Begleitung. Sie rückten schiebend und drängend gegen die Menge vor und forderten sie auf, sich zu zerstreuen. Gleichzeitig zogen sie Schlagstöcke unter ihren Togen hervor.
Als Drusus die Schlagstöcke sah, rief er von der Rostra: »Die Versammlung ist beendet! Ich werde nicht zulassen, daß eine ordentliche Versammlung auf diese Weise zerschlagen wird!«
Aber das paßte der Menge nicht. Ein paar Männer begannen nun ihrerseits zu schieben und zu drängen. Ein Schlagstock fuhr durch die Luft. Drusus sprang von der Rostra und konnte gerade noch verhindern, daß die Stöcke benutzt wurden. Schließlich überredete er die Menge, sich zu zerstreuen.
In diesem Augenblick sah ein bitter enttäuschter Klient des Gaius Marius rot. Bevor er von der Menge oder den apathischen Liktoren des Konsuls aufgehalten werden konnte, trat er auf Philippus zu und schlug ihn auf die Nase. Dann verschwand er so schnell, daß ihn niemand festnehmen konnte. Philippus hielt sich die Nase, aus der Ströme von Blut über seine schneeweiße Toga spritzten.
»Das geschieht dir recht«, sagte Drusus grinsend und verließ die Versammlung.
»Gut gemacht, Marcus Livius«, sagte der Senatsvorsitzende Scaurus, der die Vorgänge von der Treppe des Senatsgebäudes aus beobachtet hatte. »Und was jetzt?«
»Jetzt kommt wieder der Senat dran«, erklärte Drusus.
Als Drusus am siebten Tag des September wieder vor dem Senat erschien, hatte sich die Stimmung geändert. Drusus war überrascht; seine Verbündeten waren offenbar rege tätig gewesen.
»Der Senat und das Volk von Rom müssen sich im klaren sein«, sagte Drusus mit lauter, fester Stimme und sehr ernst, »daß es Krieg geben wird, wenn wir den italischen Völkern weiterhin das Bürgerrecht verweigern. Ich sage das nicht leichthin, glaubt mir! Und bevor ihr damit beginnt, euch über die Vorstellung lustig zu machen, daß das Volk von Italien ein ernstzunehmender Gegner sein könnte, will ich euch daran erinnern, daß es seit vierhundert Jahren in allen unseren Kriegen mitgekämpft hat — in einigen Fällen sogar gegen uns. Die Italiker wissen, daß wir ein kriegerisches Volk sind, und sie wissen, wie wir Kriege führen, denn sie führen Kriege in derselben Weise. In der Vergangenheit mußte sich Rom bis zum äußersten anstrengen, um ein oder zwei italische Völker zu besiegen — gibt es hier jemanden, der Cannae vergessen hat? Ein einziges italisches Land, Samnium, hat Cannae verursacht. Bis Arausio war Cannae die schlimmste Niederlage, die Rom je erleiden mußte. Wenn also heute mehrere italische Völker beschließen würden, sich zu vereinigen und gemeinsam gegen uns in den Krieg zu ziehen, dann stellt sich mir die Frage, und ich stelle sie euch allen: Könnte Rom sie überhaupt besiegen?«
Eine Welle der Erregung ging durch die Ränge der weißgekleideten Senatoren auf beiden Seiten des Hauses und ein Seufzen wie ein Windstoß, der durch die Blätter eines Baumes fährt.
»Ich weiß, daß die große Mehrheit der Männer, die heute hier versammelt sind, einen Krieg für absolut unmöglich halten. Aus zwei Gründen. Erstens: Sie glauben nicht, daß die italischen Bundesgenossen jemals ihre Verschiedenheit soweit überwinden werden, daß sie sich gegen einen gemeinsamen Feind vereinigen. Zweitens: Sie glauben nicht, daß außer den Römern noch ein Volk auf einen Krieg vorbereitet ist. Selbst unter den Männern, die mich unterstützen, gibt es einige, die nicht glauben können, daß die italischen Bundesgenossen kriegsbereit sind. Tatsächlich kann vielleicht sogar keiner der Männer, die mich unterstützen, glaubwürdig machen, daß Italien kriegsbereit ist. Wo sind die Waffen und Rüstungen, fragen sie, wo die Kriegswagen, die Soldaten? Aber ich sage euch: Es gibt sie! Sie warten und stehen bereit. Italien ist bereit. Wenn wir Italien nicht das Bürgerrecht geben, wird Italien uns vernichten.«
Drusus machte eine Pause, dann breitete er die Arme aus. »Ihr werdet sicher verstehen, Senatoren, daß der Krieg zwischen Rom und Italien ein Bürgerkrieg wäre, ein Konflikt zwischen Brüdern und ein Konflikt auf dem Boden, den wir unser eigen nennen und den sie ihr eigen nennen. Wie können wir vor unseren Enkeln die Zerstörung unseres Wohlstands und ihres Erbes rechtfertigen, wenn wir nur so nichtige Gründe anführen können, wie ich sie hier in diesem Hause immer wieder zu hören bekomme? In einem Bürgerkrieg gibt es keinen Sieger, keine Beute und keine
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