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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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klug! Er weiß Antworten auf Fragen, die andere Kinder in seinem Alter nicht einmal stellen! Onkel Publius soll bitte zuerst allein kommen!«
    Cotta legte seiner Frau die Hand auf die Schulter. »Das ist eine gute Idee, Aurelia!« sagte er beschwichtigend. »Schließlich hat er schon bald seinen zweiten Geburtstag — ich glaube, Mitte des Monats Quintilis. Aurelia kann uns zu seiner Geburtstagsfeier einladen, Rutilia, und dann sehen wir ihn selbst, ohne daß das Kind Verdacht schöpft, weshalb wir gekommen sind.«
    Rutilia schluckte ihren Zorn hinunter und nickte. »Wie du willst, Marcus Aurelius. Ist es dir so recht, Tochter?«
    »Meinetwegen«, sagte Aurelia barsch.

    Natürlich erlag Publius Rutilius Rufus dem Charme des kleinen Caesar, den dieser immer besser einzusetzen verstand. Er war von dem Jungen begeistert und konnte es kaum erwarten, das seiner Mutter zu sagen.
    »Ich weiß nicht mehr, wann ich jemanden so ins Herz geschlossen habe, seit du damals jede Sklavin zurückgewiesen hast, die deine Eltern für dich ausgesucht haben, und dann selbst Cardixa nach Hause gebracht hast«, sagte er lächelnd. »Für eine unschätzbare Perle hielt ich dich damals! Und nun finde ich heraus, daß meine Perle etwas hervorgebracht hat, daß leuchtet wie — nein, nicht wie der Mond, wie die Sonne selbst.«
    »Spar dir deine schönen Reden, Onkel Publius! Ich habe dich nicht deswegen hergebeten«, sagte Aurelia gereizt.
    Aber Publius Rutilius Rufus war es wichtig, daß sie ihn verstand, deshalb setzte er sich mit ihr auf eine Bank im Innenhof des Mietshauses, in den von hoch oben eine Lichtsäule fiel. Es war ein hübsches Plätzchen, denn der andere Bewohner des Erdgeschosses, der Ritter Gaius Matius, hatte einen Hang zur Gärtnerei, der an Perfektion grenzte. Aurelia nannte den Lichtschacht über dem Hof ihre »hängenden Gärten von Babylon«, denn aufjedem Stockwerk wucherten Pflanzen über die Balkone, und die Kletterpflanzen, die vor Jahren im Hof angepflanzt worden waren, hatten inzwischen das obere Ende des Lichtschachts erreicht. Jetzt, im Sommer, duftete der Garten nach Rosen, Goldlack und Veilchen, und Hunderte von Blüten in allen Schattierungen der Farben Blau, Rosa und Lila hingen nach unten oder reckten sich dem quadratischen Stück Himmel über ihnen entgegen.
    »Meine liebe kleine Nichte«, sagte Publius Rutilius Rufus sehr ernst und nahm ihre Hände in die seinen, so daß sie ihm in die Augen sehen mußte, »hör mir jetzt bitte genau zu. Rom ist nicht mehr jung, obwohl ich die Stadt nicht mit einer Greisin vergleichen möchte. Aber denke nur... Zweihundertvierundvierzig Jahre Königtum, dann vierhundertelf Jahre Republik. Rom existiert nun seit sechshundertfünfundfünfzig Jahren und wird immer mächtiger. Aber wieviele der alten Geschlechter bringen noch Konsuln hervor, Aurelia? Die Cornelier. Die Servilier. Die Valerier. Die Postumier. Die Claudier. Die Aemilier. Die Sulpicier. Die Julier haben seit fast vierhundert Jahren keinen Konsul mehr hervorgebracht — obwohl ich glaube, daß diese Generation einige Julier auf dem kurulischen Stuhl sehen wird. Die Sergier sind so arm, daß sie mit Austernzucht Geld verdienen müssen. Und die Pinarier sind so arm, daß sie praktisch zu allem bereit sind, woran sie sich bereichern können. Um den plebejischen Amtsadel steht es besser als um die Patrizier. Aber mir scheint, wenn wir nicht aufpassen, wird Rom schließlich ganz den plebejischen homines novi gehören — Männern ohne Vorfahren, Männern, die nichts an die Anfänge Roms bindet und denen deshalb auch gleichgültig ist, was mit Rom geschieht.«
    Der Druck seiner Hände verstärkte sich. »Aurelia, dein Sohn stammt aus dem ältesten und erlauchtesten aller Geschlechter. Von den patrizischen Familien, die es noch gibt, können sich nur die Fabier mit den Juliern vergleichen, aber die Fabier müssen seit drei Generationen auf Adoptionen zurückgreifen, um den kurulischen Stuhl besetzen zu können. Und die echten Fabier der Familie sind so seltsam, daß sie sich verstecken müssen. Aber dein kleiner Caesar ist ein Mitglied des alten Ad,els und hat zugleich die ganze Energie und Intelligenz eines homo novus. Er bedeutet für Rom eine Hoffnung, mit der ich nicht mehr gerechnet habe. Denn ich glaube, daß Rom, wenn es noch größer werden will, von Männern mit dem richtigen Blut regiert werden muß. Zu Gaius Marius, den ich liebe, dessen Tun ich aber auch mißbillige, könnte ich das niemals sagen. Im Lauf

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