MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Crassus Rat einholen zu müssen, warf ein schlechtes Licht auf einen Konsul — er wäre als Anfänger erschienen, der stets noch den Meister fragen muß. Fragte er dagegen einen Niemand wie Sulla, dann stand er als genialer Konsul da. Lucius Caesar konnte für sich in Anspruch nehmen, er habe Sulla entdeckt. Und nach außen hin schien es, als sei er Sullas Gönner, während er sich in Wahrheit auf Sulla stützte.
Das genügte Sulla für den Augenblick. Solange er sich Lucius Caesar gegenüber freundlich und ehrerbietig verhielt, würde er die Befehlsgewalt und die Aufgaben bekommen, die er benötigte, um Lucius Caesar in den Schatten zu stellen. Und wie Sulla rasch bemerkte, neigte Lucius Caesar zur Schwarzseherei und hatte gar nicht soviel Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Als beide Anfang April in die Campania aufbrachen, überließ Sulla die militärischen Entscheidungen und Dispositionen Lucius Caesar und stürzte sich selbst mit lobenswertem Eifer und begeistert in die Aufgabe, neue Legionen anzuwerben und auszubilden. Viele Zenturionen unter den Veteranen in Capua hatten irgendwo schon unter Sullas Befehl gedient, und noch mehr von den Zenturionen im Ruhestand, die sich wieder zur Ausbildung von Truppen hatten anwerben lassen. Als sich das herumsprach, wuchs Sullas Ruhm. Jetzt mußte Lucius Caesar nur noch Fehler machen oder sich im kommenden Feldzug in eine Zwangslage hineinmanövrieren, so daß er nicht mehr anders konnte, als Sulla freie Hand zu lassen. Eines wußte Sulla sicher: Wenn seine Chance gekommen war, würde er keinen Fehler machen.
Besser vorbereitet als jeder andere Befehlshaber rüstete Pompeius Strabo zwei Legionen mit Männern von seinen riesigen Besitzungen im nördlichen Picenum aus. Dank der Zenturionen aus den beiden gestohlenen Veteranenlegionen konnte er die Truppen innerhalb von fünfzig Tagen kriegstauglich machen. In der zweiten Aprilwoche marschierte er mit vier Legionen — zwei aus Veteranen und zwei aus Rekruten, eine gute Mischung — aus Cingulum ab. Obwohl Pompeius Strabo nicht gerade eine glänzende Militärlaufbahn hinter sich hatte, verfügte er über ausreichend Erfahrung für ein Kommando. Und er stand in dem Ruf, besonders zäh zu sein.
Ein Zwischenfall in seinem dreißigsten Lebensjahr während seiner Zeit als Quästor auf Sardinien hatte unglücklicherweise viel dazu beigetragen, daß er seine Senatskollegen verachtete und sich von ihnen abseits hielt. Pompeius Strabo hatte den Senat damals schriftlich aus Sardinien darum gebeten, seinen Vorgesetzten, den Statthalter Titus Annius Albucius, anzeigen und bei der Rückkehr nach Rom persönlich Anklage gegen ihn erheben zu dürfen. Angeführt von Scaurus antwortete der Senat mit einem gehässigen Brief des Prätors Gaius Memmius, dem die Abschrift von Scaurus’ Rede vor dem Senat beigefügt war. Scaurus belegte Pompeius Strabo darin mit allen erdenklichen Schimpfwörtern: Er sei ein lästiger Pilz, sein Benehmen unfein, dreist, ordinär, vulgär, anmaßend, dumm und ungebildet dazu. Für Pompeius Strabo war die Forderung, den Vorgesetzten vor Gericht zu zitieren, korrekt gewesen, für Scaurus und die übrigen Führer des Hauses war Strabos Tat schlicht unverzeihlich. Einen Vorgesetzten zeigte man nicht an! Und wenn man ihn schon anzeigte, dann riß man sich nicht um die Aufgabe, Anklage gegen ihn zu erheben! Und dann machte Lucius Marcius Philippus den abwesenden Pompeius Strabo zur Zielscheibe des Spottes: Er schlug vor, der Senat solle für das Verfahren, dem Titus Albucius nun entgegensehe, Caesar Strabo als Ankläger bestimmen, weil er ebenfalls schiele.
Pompeius Strabo hatte viel von einem Keltenkönig, auch wenn er immer betonte, er sei durch und durch Römer. Als wichtigstes Argument für sein Römertum berief er sich auf seine Zugehörigkeit zur Tribus Clustumina, einer nicht sehr alten bäuerlichen Tribus, deren Angehörige im Osten des Tibertals lebten. Aber kaum ein bedeutender Römer zweifelte einen Augenblick daran, daß die Pompeier schon lange vor der Eroberung durch die Römer in Picenum gesiedelt hatten. Für die neuen Picenter Bürger hatte man die Tribus Velina geschaffen, der die meisten Vasallen auf den Ländereien der Pompeier im nördlichen Picenum und im östlichen Umbrien angehörten. Wer in Rom etwas zu sagen hatte, sah die Sache so, daß die Pompeier Picenter waren, die schon lange in vorrömischer Zeit Vasallen in diesem Teil Italiens gehabt
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