MoR 02 - Eine Krone aus Gras
heißt er marschiert nach Norden. Wenn Acerrae sich ergibt, läuft Capua über — es lebt von Rom, aber sein Herz gehört Italia.«
Lucius Caesar richtete sich empört auf. »Wieso bist du so fröhlich, wenn wir Mutilus und Vidacilius nicht aufhalten können?«
»Weil wir gewinnen«, sagte Sulla mit Nachdruck. »Glaub mir, Lucius Julius, wir werden gewinnen! Das hier ist schließlich keine Wahl. Bei einer Wahl spiegelt die erste Abstimmung das Ergebnis wider, aber im Krieg trägt zuletzt die Seite den Sieg davon, die sich nicht geschlagen gibt. Die Italiker sagen, sie kämpften für ihr Bürgerrecht. Oberflächlich betrachtet, ist das vielleicht das beste aller denkbaren Motive. Aber in Wahrheit ist es das nicht. Es ist nichts Greifbares. Eine Vorstellung, Lucius Julius, nicht mehr. Dagegen kämpft Rom um sein Leben, und deshalb wird Rom gewinnen. Allerdings kämpfen letztlich auch die Italiker um ihr Leben. Sie kennen bereits ein Leben, und an das sind sie seit etlichen Generationen gewöhnt. Es ist vielleicht nicht ideal und nicht das, was sie wollen, aber es ist etwas Greifbares. Warte ab, Lucius Cornelius! Wenn das italische Volk es satt hat, für einen Traum zu kämpfen, schlägt die Waage gegen Italia aus. Italia gibt es nicht als reales Gebilde. Sie haben keine Geschichte und keine Tradition wie wir. Ihnen fehlen die besseren Sitten. Rom ist real, Italia ist es nicht.«
Lucius Caesar hörte zwar zu, doch überzeugt war er nicht. »Wenn wir nicht verhindern, daß die Italiker in Latium einfallen, ist es aus mit uns. Und ich glaube nicht, daß wir das verhindern können.«
»Wir werden es verhindern!« beharrte Sulla mit unerschütterlichem Selbstvertrauen.
»Und wie?« fragte der angeschlagene Mann auf dem Stuhl des Oberbefehlshabers.
»Inmerhin, Lucius Julius, habe ich auch gute Nachrichten. Dein Vetter Sextus Julius und sein Bruder Gaius Julius sind in Puteoli gelandet. Auf ihren Schiffen befinden sich zweitausend numidische Berittene und zwanzigtausend Infanteristen. Die meisten Fußsoldaten sind Veteranen. Aus der Provinz Africa kommen Tausende von den altgedienten Truppen des Gaius Marius, alles Männer, die um die Schläfen etwas ergraut, aber zum Kampf um die Heimat bereit sind. Sie müßten inzwischen alle in Capua eingetroffen sein, wo sie ausgerüstet und wieder kampftüchtig gemacht werden. Quintus Lutatius meint, vier überstarke Legionen seien besser als fünf zu kleine, und ich gebe ihm recht. Mit deiner Erlaubnis schicke ich Gaius Marius zwei Legionen in den Norden, er ist jetzt Oberbefehlshaber. Die anderen beiden behalten wir hier in der Campania.« Sulla seufzte und grinste triumphierend.
»Es wäre besser, wenn wir alle vier in der Campania behielten«, sagte Lucius Caesar.
»Ich glaube nicht, daß wir das können«, erwiderte Sulla freundlich, aber bestimmt. »Im Norden waren die Verluste sehr viel größer als bei uns, und die beiden einzigen kampferprobten Legionen sind mit Pompeius Strabo in Firmum Picenum eingeschlossen.«
»Vielleicht hast du recht.« Lucius Caesar verbarg seine Enttäuschung. »So sehr ich Gaius Marius auch verabscheue, ich muß zugeben, daß mir wohler ist, seitdem er den Oberbefehl hat. Vielleicht läuft es im Norden jetzt besser.«
»Es wird auch hier besser laufen!« sagte Sulla aufgeräumt und strahlte. Er verbarg nicht Enttäuschung, sondern Wut: Bei den Göttern, wann hatte je ein stellvertretender Kommandeur mit einem so verzagten Befehlshaber zu tun gehabt? Mit plötzlich verfinsterter Miene beugte er sich über Lucius Caesars Tisch. »Bis die neuen Truppen einsatzbereit sind, müssen wir dafür sorgen, daß Mutilus die Belagerung von Acerrae aufgibt. Und ich habe einen Plan, wie wir das anstellen.«
»Wie?«
»Laß mich mit unseren beiden besten Legionen auf Aesernia marschieren.«
»Bist du sicher?«
»Du mußt mir vertrauen, Lucius Julius!«
»Nun.. .«
»Mutilus muß von Acerrae ablassen! Ein Täuschungsmanöver bei Aesernia ist der beste Weg. Vertrau mir, Lucius Cornelius! Ich werde es tun, und zwar ohne meine Männer zu verlieren.«
»Welche Route nimmst du?« fragte Lucius Caesar. Er erinnerte sich an das Debakel in der Schlucht bei Atina, wo er mit Scato zusammengestoßen war.
»Dieselbe wie du. Die Via Latina hinauf nach Aquinum und dann durch die Melfa-Schlucht.«
»Du gerätst in einen Hinterhalt.«
»Keine Sorge, darauf bin ich vorbereitet«, sagte Sulla unbekümmert und stellte fest, daß seine Laune um so höher stieg, je
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