MoR 02 - Eine Krone aus Gras
berichtete Pompeius Cicero. »Wir haben die Marser aufgerieben und dann einen Trupp Picenter. Scato gelang mit ein paar Mann die Flucht, aber wir haben sie von allen Straßen abgeschnitten. Wenn sie nach Marruvium zurückkehren wollen, wird es ungemütlich für sie. Ihnen bleibt nur der Weg durch die Berge, und zwar ohne Lebensmittel und warme Kleidung.«
Cicero schluckte. »Es ist wohl die Spezialität deines Vaters, Menschen erfrieren und verhungern zu lassen.« Er wollte klingen wie ein Held, dabei zitterten ihm die Knie.
»Da wird dir wohl sterbenselend, armer Marcus Tullius?«
Pompeius lachte und klopfte Cicero freundschaftlich auf den Rük- ken. »Krieg ist Krieg, so ist das eben. Die machen mit uns dasselbe. Wenn dir davon elend wird, ändert das auch nichts. Aber so bist du eben. Vielleicht muß ein Mann mit deiner Intelligenz die Lust am Krieg verlieren. Zum Glück für mich! Ich wollte nicht gegen so einen intelligenten Krieger antreten. Und für Rom ist es gut, daß es sehr viel mehr Männer wie meinen Vater und mich gibt. Rom ist durch den Krieg das geworden, was es heute ist. Aber Rom braucht auch Leute für das Forum, und dort, Marcus Tullius, ist dein Schlachtfeld.«
In diesem Frühling ging es auf dem Forum so stürmisch zu wie auf allen Kriegsschauplätzen, denn Aulus Sempronius Asellio geriet übel mit den Geldverleihern aneinander. Um Roms Finanzen, die öffentlichen wie die privaten, stand es schlimmer als zu der Zeit, als Hannibal im zweiten Punischen Krieg Italien besetzt und Rom isoliert hatte. Überall in der Geschäftswelt fehlte Geld, das Schatzamt war praktisch mittellos, neue Gelder flossen mehr als spärlich. Und nicht einmal in dem noch in römischer Hand verbliebenen Teil der Campania konnte man angesichts des Durcheinanders den Pachtzins einziehen. Den Quästoren gelang es nur mit Mühe, die Zölle und Hafengebühren einzutreiben; aus Brundisium, einem der beiden größten Häfen, kam überhaupt kein Geld mehr. Die aufständischen Italiker zahlten keine Abgaben. Die Provinz Asia nahm König Mithridates zum Vorwand und zögerte ihre Zahlungen aus den geschrumpften Einkünften hinaus, Bithynien zahlte überhaupt nicht. Und die Gelder aus den Provinzen Africa und Sicilia verschlang vor Ort der Ankauf von zusätzlichem Weizen. Zu allem Übel stand Rom bei der eigenen Provinz Gallia Cisalpina, aus der die meisten Waffen und Rüstungen kamen, tief in der Kreide. Die Münzverschlechterung durch Legierung unter Marcus Livius Drusus hatte das Metallgeld in Verruf gebracht, und um diese Schwierigkeit aus der Welt zu schaffen, hatte man zu viele Sesterze prägen lassen. Viele Bürger mit mittlerem und gehobenem Einkommen mußten Anleihen aufnehmen, und das zu den höchsten Zinsen der Geschichte.
Aulus Sempronius Asellio konnte gut rechnen. Er hielt einen Schuldenerlaß für die beste Lösung und hatte auch schon eine Methode parat, die attraktiv und legal zugleich war. Er besann sich auf eine alte Vorschrift, wonach es verboten war, beim Geldverleih Gebühren zu erheben, und befand, diese Bestimmung sei auch auf Darlehnszinsen anwendbar. Es sei schlechterdings unerträglich, daß dieses uralte Gesetz über Jahrhunderte hinweg unbeachtet geblieben und der Wucher bei manchen Geldverleihern aus dem Ritterstand zum florierenden Geschäft geworden sei. Und es sei eine Tatsache, verkündete er weiter, daß weit mehr Ritter Geld borgten als verliehen. Solange sich ihre Misere nicht bessere, könne in Rom keiner mit Rückzahlung rechnen. Täglich würden mehr Schuldner zahlungsungsunfähig, und da von der Schließung der Gerichtshöfe auch die Konkursgerichte betroffen waren, versuchten die Gläubiger, ihr Geld mit Gewalt einzutreiben.
Noch bevor Asellio dem alten Gesetz wieder Geltung verschaffen konnte, erfuhren die Geldverleiher von seiner Absicht und verlangten die Wiedereröffnung der Konkursgerichte.
»Wie?« rief er. »Rom erlebt die schlimmste Finanzkrise seit Hannibal, und jetzt soll ich euretwegen alles noch schlimmer machen? Widerliche Blutsauger seid ihr für mich, das kann ich euch sagen! Verschwindet! Wenn nicht, eröffne ich für euch wirklich wieder ein Gericht! Einen Sondergerichtshof, und der macht euch den Prozeß wegen Geldverleihs gegen Zinsen!«
Asellio blieb dabei. Zwar konnte er nur Zinsen als gesetzeswidrig erklären, doch erleichterte er schon damit das Los der römischen Schuldner ungemein und überdies auf völlig legale Weise. Die Darlehen mußten wohl zurückgezahlt
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