MoR 02 - Eine Krone aus Gras
ihm abreagieren konnte. Manchmal weinte Marius, dann mischten sich Tränen in den Speichel und die Nase lief ihm ganz scheußlich. Und wenn er einmal einen anzüglichen Witz machte und lachte, daß sich die Balken bogen, schoß Tante Julia mit erstarrtem Lächeln herein und scheuchte Caesar freundlich hinaus und nach Hause.
Anfangs war der Junge ganz hilflos gewesen und hatte nicht gewußt, was zu tun war. Aber ihm fiel immer etwas ein, und mit der Zeit hatte er herausgefunden, wie man mit Gaius Marius umgehen mußte. Überdies war es für ihn völlig undenkbar, bei einer Aufgabe zu versagen, die seine Mutter ihm gestellt hatte. Er entdeckte Schwächen in seiner eigenen Natur. Zum einen fehlte es ihm an Geduld, eine Unzulänglichkeit, die er dank der unablässigen Ermahnungen seiner Mutter so gut zu überspielen gelernt hatte, daß man den Mangel schon gar nicht mehr bemerkte. Er war nicht übermäßig empfindlich, und so ekelte es ihn auch nicht, wenn Marius sabberte. Klug wie er war, fand er bald selbst heraus, was getan werden mußte und wie man Gaius Marius helfen konnte; nicht einmal die Ärzte hatten bislang Rat gewußt. Man mußte Gaius Marius dazu bringen, daß er sich bewegte, daß er die Fähigkeiten seines Körpers trainierte. Und man mußte ihm vor Augen führen, daß er wieder ein normales Leben würde führen können.
»Was hast du noch von Lucius Decumius erfahren oder von einem anderen Gauner aus der Subura?« unterbrach Marius seine Gedanken.
Auf die plötzliche Frage hin zuckte Caesar zusammen, so versunken war er gewesen. »Nun, ich habe mir da etwas zusammengereimt. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Ich glaube schon.«
»Was denn?«
»Warum Konsul Cato beschlossen hat, Samnium und die Campania an Lucius Cornelius abzutreten und selbst dein früheres Kommando gegen die Marser zu übernehmen.«
»Oho! Laß hören, Caesar, was du darüber denkst.«
»Wahrscheinlich hat es damit zu tun, daß Lucius Cornelius eine bestimmte Art Mann ist«, sagte Caesar ernst.
»Was für eine Art Mann?«
»Ein Mann, der anderen Männern viel Angst einjagen kann.«
»Das kann er wahrlich!«
»Er hat wahrscheinlich gewußt, daß er das Kommando im Süden nie bekommt. Das steht dem Konsul zu. Deshalb hat er sich erst gar nicht auf einen Streit eingelassen. Er hat gewartet, bis Konsul Lucius Cato in Capua eingetroffen ist, und dann seinen unheimlichen Zauber eingesetzt. Konsul Cato hat Angst bekommen und wollte eine möglichst große Entfernung zwischen sich und die Campania bringen.«
»Wie bist du denn auf diese Vermutung gekommen?«
»Lucius Decumius hat mich darauf gebracht. Und meine Mutter.«
»Sie wird es wohl wissen«, sagte Marius vage.
Caesar runzelte die Stirn, warf ihm von der Seite einen Blick zu und zuckte die Achseln. »Wenn Lucius Cornelius erst einmal das Oberkommando hat und ihm kein Dummkopf mehr in die Quere kommt, dann macht er seine Sache gut. Ich glaube, er ist ein sehr guter Feldherr.«
»Nicht so gut wie ich.« Marius seufzte, schluchzte fast.
Der Junge fiel sofort über ihn her. »Fang bloß nicht an, dich selbst zu bemitleiden, Gaius Marius! Du wirst selbst wieder den Befehl führen können, vor allem wenn wir endlich einmal aus dem dämlichen Garten herauskommen.«
Auf eine so heftige Reaktion war Marius nicht gefaßt gewesen, rasch wechselte er das Thema. »Und haben dir deine Informanten in der Subura auch verraten, wie Konsul Cato mit dem Kampf gegen die Marser zurechtkommt?« fragte er schnaubend. »Mir sagt ja keiner etwas, ich könnte mich ja aufregen. Ich rege mich aber viel mehr darüber auf, daß mir keiner was sagt! Wenn ich von dir auch nichts hören würde, würde ich platzen.«
Caesar grinste. »Meine Informanten wollen wissen, daß der Konsul gleich bei der Ankunft in Tibur Schwierigkeiten bekommen hat. Da Pompeius Strabo deine alten Truppen übernommen hat — darin ist er sehr gut! —, sind für Cato nur noch die unausgebildeten Rekruten übriggeblieben, frisch ausgehobene Bauernjungen aus Umbria und Etruria. Weder er noch seine Legaten wissen, wie man sie ausbildet. Er hat das Ausbildungsprogramm damit begonnen, daß er die ganze Armee antreten ließ und ihr eine gnadenlose Strafpredigt gehalten hat. Stell dir vor: Sie seien Schafsköpfe und Bauerntrampel, Schwachsinnige und Barbaren, ein Haufen erbärmlicher Würmer, er sei weitaus Besseres gewöhnt, wenn sie sich nicht am Riemen rissen, würden sie alle draufgehen und so weiter und so fort.«
»Das klingt wie
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