MoR 02 - Eine Krone aus Gras
ob der rechte Zeitpunkt jemals kommen würde, wenn selbst Italia, das in seinem Kampf für Freiheit und Unabhängigkeit dringend auf Hilfe angewiesen war, die freundschaftlich dargebotene Hand aus Pontos so schroff zurückwies und auf militärische Hilfe verzichtete.
Mithridates zögerte, und seine Zweifel waren so groß, daß er sich zu keinem Entschluß durchringen konnte. Im einen Augenblick war er sich noch sicher, daß die Zeit für eine Kriegserklärung gegen Rom gekommen sei, dann schwankte er wieder. Der König von Pontos ließ sich seine Sorgen und Nöte freilich nicht anmerken. Er besprach sich weder mit Vertrauten noch mit seinen Beratern, nicht einmal mit seinem Schwiegersohn, der selbst ein mächtiger König war. Sein Hofstaat verfügte über keinerlei Informationen, niemand konnte genau sagen, was der König dachte, was sein nächster Zug sein würde, ob es überhaupt Krieg geben würde. Niemand wollte Krieg, aber alle würden ihn begrüßen, wenn er erst ausgebrochen war.
Nachdem seine Bemühungen um Italia gescheitert waren, konzentrierte Mithridates seine Überlegungen auf Macedonia, eine römische Provinz mit einer tausend Meilen langen, unsicheren Grenze gegen die Barbarenvölker des Nordens. Wenn er an dieser Grenze Unruhen provozieren konnte, würde Rom sich ganz auf diese Region konzentrieren müssen. Schon bald machten sich Mittelsleute aus Pontos auf den Weg, um den latenten Haß der Besser und Skordisker und der Stämme Mysiens und Thrakiens gegen die Römer aufzustacheln. Die Folge davon war, daß Macedonia die seit Jahren schlimmsten Aufstände und Überfälle der Barbaren über sich ergehen lassen mußte. Während der ersten Zerstörungswelle kamen die Skordisker bis nach Dodona in Epirus. Glücklicherweise war die römische Provinz Macedonia jedoch mit einem hervorragenden, integren Statthalter namens Gaius Sentius gesegnet, der von Quintus Bruttius Sura unterstützt wurde, einem römischen Gesandten, der sich durch besondere militärische Begabung auszeichnete.
Da die Aufstände der Barbaren Sentius und Bruttius nicht veranlassen konnten, Hilfe aus Rom herbeizurufen, sorgte Mithridates dafür, daß die Unruhen auf die römische Provinz selbst Übergriffen. Kaum hatte der König diese neue Strategie beschlossen, tauchte in Macedonia ein Mann namens Euphenes auf, der sich als direkter Nachfahre Alexanders des Großen ausgab — tatsächlich verband ihn mit diesem eine verblüffende Ähnlichkeit — und Anpruch auf den alten, verwaisten Thron des Landes erhob. Die gebildeten Stadtbewohner von Thessalonike und Pella durchschauten ihn sofort, die Landbevölkerung aber ließ sich für seine Sache einspannen. Mithridates mußte freilich bald feststellen, daß Euphenes kein Feldherr war und seine Anhänger zu keiner Armee zusammenfassen konnte. Sentius und Bruttius wurden trotz ihrer begrenzten Mittel leicht mit Euphenes fertig. Sie mußten weder finanzielle noch militärische Unterstützung aus Rom anfordern, und somit hatte die pontische Aktion ihr Ziel verfehlt.
Zwei Jahre nach Kriegsausbruch zwischen Rom und seinen italischen Verbündeten waren Mithridates’ ehrgeizige Pläne keinen Schritt weitergekommen. Der König war zögerlich und wankelmütig, machte sich und seinem Hofstaat das Leben schwer, bremste den kriegslüsternen, aber unbesonnenen König Tigranes, wurde von Zweifeln zerfressen und traute niemandem über den Weg.
Plötzlich richtete sich Mithridates auf, und die Höflinge zuckten zusammen. Der König sah Pelopidas an. »Was hast du während deines zweiten und äußerst langen Besuchs in Pergamon noch entdeckt?«
»Daß der Statthalter Gaius Cassius seine römischen Hilfstruppen mobilisiert und zusätzlich zwei Milizlegionen ausgebildet und ausgerüstet hat, o mächtiger König.« Pelopidas befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. Ihm war sehr daran gelegen, eine angemessene Begeisterung für die Sache des Königs zur Schau zu stellen, obwohl seine Mission gescheitert war. »Ich habe einen Spion im Palast des Statthalters plaziert, großer König. Unmittelbar vor meiner Abreise teilte er mir mit, daß Gaius Cassius und Manius Aquillius vermutlich im Frühjahr Pontos überfallen wollen. Sie wollen gemeinsam mit Nikomedes von Bithynien und dessen Verbündetem Pylaimenes von Paphlagonien zuschlagen. Und wahrscheinlich macht auch der Statthalter von Kilikien mit, Quintus Oppius, der zu einer Unterredung mit Gaius Cassius nach Pergamon angereist ist.«
»Weißt du, ob die
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