MoR 02 - Eine Krone aus Gras
geplante Invasion vom römischen Senat und Volk offiziell gebilligt wurde?«
»Nach allem, was im Palast des Statthalters geredet wird, ist das nicht der Fall, großer König.«
»Von Manius Aquillius hätte ich auch nichts anderes erwartet. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Er wird wie sein Vater nur von der Gier nach Gold beherrscht, nach meinem Gold.« Mithridates verzog seine vollen, tiefroten Lippen und zeigte seine großen, gelben Zähne. »Mir scheint, daß der Statthalter der Provinz Asia vom selben Schlag ist. Und Quintus Oppius von Kilikien ebenfalls. Ein goldgieriges Trio!«
»Der Statthalter von Kilikien scheint anders zu sein, o mächtiger König«, erwiderte Pelopidas. »Die beiden wollen ihn glauben machen, die ganze Operation sei gegen unsere Anwesenheit in Kappadokien gerichtet. Soweit ich verstanden habe, ist Quintus Oppius das, was die Römer einen Ehrenmann nennen.«
Der König verfiel in Schweigen, seine Lippen arbeiteten, und sein Blick ging ins Leere. Alles war anders, wenn das eigene Land bedroht wurde, dachte der König. Er sollte gezwungen werden, mit dem Rücken zur Wand zu kämpfen, er sollte die Waffen strecken und diesen selbsternannten Herrschern der Welt erlauben, sein Land zu vergewaltigen, jenes Land, das ihm als flüchtendem Kind Schutz geboten hatte, das er über alles liebte und für das er die Weltherrschaft erstrebte.
»Das werden sie nicht tun!« sagte er laut und bestimmt.
Alle blickten auf, doch der König sprach nicht weiter, er bewegte nur die Lippen, stumm wie ein Fisch.
Endlich war die Zeit gekommen, dachte er. Seine Gefolgsleute hatten die Nachricht aus Pergamon vernommen und bildeten sich jetzt ein Urteil. Nicht über die Römer, nein, über ihn, ihren König. Wenn er jetzt nichts tat, während die goldgierigen römischen Gesandten davon redeten, daß sie den Senat und das Volk verkörperten und Pontos erobern wollten — dann würden seine Untertanen ihn verachten. Sein Ansehen wäre so angeschlagen, daß er sie nicht mehr in Schach halten könnte. Und einige seiner nächsten Verwandten würden ihn als König von Pontos absetzen wollen. Er hatte Söhne im regierungsfähigen Alter, die von machthungrigen Müttern unterstützt wurden, und er hatte Vettern königlichen Bluts — Pelopidas, Archelaos, Neoptolemos und Leonippos. Wenn er sich jetzt wie ein Köter den Römern zu Füßen legte, würde er nicht länger König von Pontos sein. Man würde ihn töten.
Also ging der Krieg gegen Rom jetzt los. Die Zeit war endlich reif. Weder sie noch er hatten diesen Zeitpunkt gewählt. Drei goldgierige römische Gesandte hatten ihn provoziert. Sein Entschluß war gefaßt. Er würde gegen Rom antreten.
Ein schwerer Stein fiel Mithridates vom Herzen, als er diesen Entschluß gefaßt hatte, und sein Kopf war plötzlich wieder klar. Mit glitzernden Augen saß er auf seinem Thron, und er schien anzuschwellen wie eine große, goldene Kröte. Pontos würde in den Krieg ziehen und es Manius Aquillius und Gaius Cassius zeigen. Pontos würde Herrscher über die römische Provinz Asia werden und den Hellespont überqueren, in Macedonia einmarschieren und über die Via Egnatia nach Westen ziehen. Pontos würde das Schwarze Meer verlassen und in die Ägäis und immer weiter nach Westen fahren, bis die pontischen Armeen und Flotten Italien und das große Rom erreicht hätten. Der König von Pontos würde König von Rom werden. Der König von Pontos würde der mächtigste Herrscher in der Geschichte der Menschheit werden, mächtiger selbst als Alexander der Große. Seine Söhne würden über so entfernte Länder wie Spanien oder Mauretanien herrschen, und seine Töchter würden in aller Herren Länder Königinnen sein, von Armenien und Numidien bis Gallien. Dem Herrscher der Welt würden alle Schätze, alle schönen Frauen, alle Länder der Erde gehören. An dieser Stelle erinnerte sich Mithridates an seinen Schwiegersohn Tigranes. Er lächelte. Tigranes würde das Partherreich bekommen, und von dort aus konnte er Indien und die dahinterliegenden, unbekannten Länder erobern.
Mit keinem Wort gab der König zu verstehen, daß er gegen Rom antreten wollte. Er sagte nur: »Holt Aristion.«
Im Thronssaal herrschte eine spannungsgeladene Atmosphäre, obwohl keiner der Anwesenden ahnte, was in der furchteinflößenden Gestalt auf dem edelsteinverzierten Thron vorging. Aber alle spürten, daß etwas Wichtiges geschah.
Ein hochgewachsener, auffallend gutaussehender Grieche betrat den
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