MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sagen? Gaius Marius ist für unsere Sache entscheidend wichtig! Wenn er bei uns an vorderster Front steht, können wir nicht verlieren.«
»Lucius Cinna«, rief Sertorius erregt, »ich sage dir ohne Umschweife — wenn du Gaius Marius an diesem Kampf teilnehmen läßt, wirst du es bereuen. Denn nicht Lucius Cinna wird dann der Sieger sein, der an die Spitze der römischen Regierung tritt, sondern Gaius Marius! Ich habe ihn gesehen und mit ihm gesprochen. Er ist alt, er ist verbittert, und er hat den Verstand verloren. Befiehl ihm, sich als privatus auf seine Ländereien zurückzuziehen — ich bitte dich!«
»Was soll das heißen, er hat den Verstand verloren?«
»Eben das. Er ist verrückt geworden.«
»Meine Agenten, die bei ihm sind, berichten mir aber etwas ganz anderes, Quintus Sertorius. Sie sagen, er habe alles so gut im Griff wie immer und er habe einen guten und vernünftigen Plan — warum sagst du, er habe den Verstand verloren? Redet er wirres Zeug? Macht er große Sprüche, phantasiert er? Meine Agenten kommen nicht so nahe an ihn heran wie du, aber sie hätten gewiß etwas bemerkt.«
»Er redet kein dummes Zeug und phantasiert auch nicht. Er hat auch nicht vergessen, wie man ein Heer führt und befehligt. Aber ich kenne Gaius Marius seit meinem siebzehnten Lebensjahr, und ich sage dir in vollem Ernst: Er ist nicht mehr der Gaius Marius, den ich kenne! Er ist alt und verbittert und verzehrt sich nach Rache. Er ist völlig besessen von sich selbst und seinem prophezeiten Schicksal. Du darfst ihm nicht trauen, Lucius Cinna! Er wird dir Rom wegnehmen und damit nach seinen eigenen Plänen verfahren.« Sertorius holte tief Luft. »Sein Sohn, der junge Marius, läßt dir dasselbe ausrichten, Lucius Cinna. Schicke seinen Vater nach Hause! Er ist verrückt.«
»Ich glaube, ihr übertreibt beide«, sagte Cinna.
»Nein. Weder ich noch der junge Marius.«
Cinna schüttelte den Kopf und nahm sich ein Blatt Papier. »Versteh doch, Quintus Sertorius, ich brauche Gaius Marius! Wenn er so alt und verrückt ist, wie du sagst, wie kann er dann für mich oder für Rom eine Bedrohung darstellen? Ich werde ihm ein prokonsularisches Imperium verleihen — das kann ich später vom Senat bestätigen lassen — und ihn beauftragen, mir von Westen her Deckung zu geben.«
»Du wirst es bereuen!«
»Unsinn!« Cinna fing an zu schreiben.
Sertorius stand einen Augenblick stumm da und sah auf Cinnas gebeugten Kopf hinunter, schlug dann wütend mit der Faust in die Luft und ging aus dem Haus.
Nachdem Cinna von Marius die Bestätigung erhalten hatte, er werde sich um Ostia kümmern und dann am Westufer des Tiber zum Campus Vaticanus ziehen, teilte er seine Truppen in drei Abteilungen zu je zehntausend Mann und setzte sie von Labicum aus in Marsch.
Die erste Abteilung bekam den Befehl, den Campus Vaticanus zu besetzen. Sie wurde von Gnaeus Papirius Carbo geführt, dem Vetter des Volkstribunen Carbo Arvina und dem Sieger über Lucania. Die zweite Abteilung, die das Marsfeld besetzen sollte und damit der einzige Teil von Cinnas Heer war, der auf der Rom zugewandten Seite des Flusses stehen würde, wurde von Quintus Sertorius geführt. Die dritte Abteilung unter dem Befehl von Cinna bezog auf der Nordseite des Janiculum Stellung. Wenn Marius kam, sollte er die Südseite des Janiculum besetzen.
Es gab jedoch eine Schwierigkeit. Der mittlere, höchste Teil des Janiculums war schon immer eine römische Garnison gewesen, und Gnaeus Octavius hatte Umsicht genug bewiesen, alle verfügbaren Freiwilligen zu sammeln und mit ihnen die Befestigungen auf dem Janiculum zu besetzen. Cinnas Abteilung, die den Tiber über die milvische Brücke nördlich von Rom überquert hatte, und die Streitmacht, die Marius von Süden heranführen würde, waren also durch diese gewaltige Festung getrennt. Zu Zeiten, da man befürchtet hatte, die Germanen könnten Italien überrennen, war sie ausgebaut und verstärkt worden, und nun war sie mit mehreren tausend Mann besetzt.
Und als ob die uneinnehmbare Garnison auf der anderen Tiberseite nicht genügt hätte, erschien unerwartet Pompeius Strabo vor Rom und brachte vier Legionen Soldaten aus Picentum vor der Porta Collina in Stellung. Mit Ausnahme der Legion aus Nola, die zu Sertorius’ Abteilung gehörte, war Pompeius Strabos Heer das einzige, das aus ausgebildeten Legionären bestand, und stellte deshalb einen entscheidenden Machtfaktor dar. Nur der Mons Pincius mit seinen Obstbäumen und Gärten
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