MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Volkstribunen in Orten wie Praeneste, Tibur, Reate, Corfinium, Venafrum, Interamnia und Sora auf und baten um öffentliches Gehör. Ihrer Bitte wurde entsprochen. Die kriegsmüden Italiker gaben sogar jede Münze, die sie entbehren konnten, für den neuen Feldzug. Langsam wuchsen die Truppen, und langsam zog sich das Netz um Rom zusammen.
Cinna selbst hatte keine Schwierigkeiten, die Legion, die vor Nola stationiert war, seinem Kommando zu unterstellen. Appius Claudius Pulcher war ein introvertierter, mürrischer Mann, der noch immer den Tod seiner Frau und das Schicksal seiner sechs mutterlosen Kinder betrauerte. Er gab den Befehl über die Legion ab, ohne sich zu wehren, stieg auf sein Pferd und ritt davon, um sich Metellus Pius in Aesernia anzuschließen.
Bei seiner Ankunft in Nola merkte Cinna, was für ein Glück es war, daß er Quintus Sertorius mitgebracht hatte. Als geborener Soldat stand Sertorius bei den Legionären aufgrund seiner in rund zwanzig Jahren erworbenen Verdienste in hohem Ansehen. In Spanien hatte er die Krone aus Gras errungen, bei den Feldzügen gegen die Numider und die Germanen ein Dutzend geringere Auszeichnungen. Er war der Vetter von Gaius Marius und hatte die Legion drei Jahre zuvor selbst im italischen Gallien ausgehoben. Die Männer kannten ihn gut und liebten ihn von Herzen. Appius Claudius liebten sie nicht.
Cinna, Sertorius, Marcus Marius Gratidianus und die Legion machten sich auf den Weg nach Rom. Als sie aufbrachen, öffneten sich die Stadttore von Nola, und eine große Menge bewaffneter Samniten schloß sich ihnen auf der Via Popillia an. Als sie an die Kreuzung dieser Straße mit der Via Appia bei Capua kamen, stießen weitere Rekruten, Gladiatoren und Zenturionen zu ihnen. Die Armee Cinnas umfaßte nun zwanzigtausend Mann. Zwischen Capua und der kleinen Stadt Labicum an der Via Latina traf Cinna dann die vier Volkstribunen, die woanders Truppen rekrutiert hatten, und diese führten ihm weitere zehntausend Männer zu.
Inzwischen war es Oktober, und Rom nur noch wenige Meilen entfernt. Cinnas Agenten berichteten ihm, in der Stadt sei Panik ausgebrochen. Octavius habe Pompeius Strabo geschrieben und ihn angefleht, dem Land zu Hilfe zu kommen, und — Wunder über Wunder—kein anderer als Gaius Marius sei an der etrurischen Küste in dem Städtchen Telamon gelandet, also in der Nähe seiner ausgedehnten Besitzungen. Diese letzte Nachricht rief bei Cinna Begeisterung hervor, zumal als außerdem bekannt wurde, aus Etruria und Umbria strömten Männer zusammen, die sich Marius anschließen wollten, der inzwischen auf der Via Aurelia Vetus in Richtung Rom marschierte.
»Das ist die beste aller Nachrichten!« sagte Cinna zu Quintus Sertorius. »Wenn Gaius Marius wieder in Italien ist, wird dieser Spuk in ein paar Tagen vorbei sein. Da du ihn besser kennst als wir anderen, geh du zu ihm und berichte ihm von unserer Lage. Und finde heraus, was seine Pläne sind. Will er Ostia einnehmen oder daran vorbei gleich nach Rom marschieren? Vergiß nicht, ihm zu sagen, daß ich unsere Armeen am liebsten auf dem Campus Vaticanus lassen und Feindseligkeiten in der Stadt gern vermeiden würde. Ich würde nur äußerst ungern mit Truppen in die Nähe des pomerium marschieren, und ich habe keine Lust, Lucius Sulla nachzueifern. Finde ihn, Quintus Sertorius, und sag ihm, wie froh ich bin, ihn wieder in Italien zu haben!« Cinna fiel noch etwas ein: »Sage ihm auch, daß ich ihm für seine Soldaten alles an Ausrüstung schicke, das ich entbehren kann.«
Sertorius traf Marius in der Nähe der kleinen Stadt Fregenae, nur wenige Meilen nördlich von Ostia. Sertorius war schnell geritten, aber er ritt noch schneller zu Cinna nach Labicum zurück. Er stürzte in das kleine Haus, in dem Cinna vorübergehend sein Hauptquartier eingerichtet hatte, und sprudelte seine Neuigkeiten hervor, bevor der verblüffte Cinna überhaupt den Mund aufmachen konnte.
»Lucius Cinna, ich bitte dich, schreibe an Gaius Marius und befiehl ihm, seine Männer zu entlassen oder sie unter dein Kommando zu stellen!« sagte Sertorius. Er sah müde, aber entschlossen aus. »Befiehl ihm, sich als der privates zu benehmen, der er ist — befiehl ihm, sein Heer zu entlassen — befiehl ihm, sich auf seine Ländereien zurückzuziehen und wie jeder privatus abzuwarten, bis die Sache entschieden ist.«
»Bei den Göttern, was ist denn mit dir los?« fragte Cinna, der kaum seinen Ohren traute. »Wie kannst ausgerechnet du so etwas
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