MoR 02 - Eine Krone aus Gras
sein, dem sie den Prozeß machen, und es werden alle sterben müssen, die auch nur entfernt mit ihm in Beziehung stehen. Delmatica wird es noch schlimmer ergehen, und deiner eigenen Frau Cornelia Sulla auch.«
»Ich wollte eigentlich hierbleiben«, sagte Mamercus erschöpft. »Rom wird Männer brauchen, die mit diesem Schrecken nichts zu tun haben, Quintus Lutatius.«
»Das ist richtig. Aber Rom wird diese Männer nicht unter denen finden, die hier bleiben, Mamercus. Ich habe nicht die Absicht, auch nur einen Augenblick länger zu leben als unbedingt notwendig. Versprich mir, daß du Delmatica, Cornelia Sulla und die Kinder nach Griechenland in Sicherheit bringst. Und daß du sie begleitest. Dann kann ich tun, was ich tun muß.«
Mamercus versprach es ihm schweren Herzens. Er arbeitete den ganzen Tag, um das Geld und den beweglichen Besitz des Sulla, des Scaurus, des Drusus und der Servilii Caepiones sowie Delmatica, Cornelia Sulla und sich selbst zu retten. Als die Nacht anbrach, hatten er, die Frauen und die Kinder die Porta Sanqualis bereits hinter sich gelassen; dieser Weg schien sicherer als die Straße in südlicher Richtung nach Brundisium.
Catulus Caesar schickte kurze Briefe an den Jupiterpriester Merula und den Pontifex Maximus Scaevola. Dann befahl er seinen Sklaven, alle Kohlenpfannen in seinem Haus anzuzünden und sie in sein bestes Gästezimmer zu stellen. Dieses Zimmer war erst vor kurzem renoviert worden und roch nach frischem Kalk. Catulus Caesar verstopfte jede Ritze und jede Öffnung mit Stofftüchern, setzte sich in einen bequemen Stuhl und öffnete eine Schriftrolle, die die letzten Bücher der Ilias enthielten, seine Lieblingslektüre. Als Marius’ Männer die Tür aufbrachen, fanden sie ihn noch immer aufrecht und in natürlicher Haltung auf seinem Stuhl sitzend. Die Schriftrolle lag ordentlich auf seinem Schoß. Das Zimmer freilich war von giftigem Rauch erfüllt, und Catulus Caesars Körper war bereits kalt.
Lucius Cornelius Merula war bereits tot, als der Brief von Catulus Caesar eintraf. Merula hatte seine Priestermütze und seinen Mantel ordentlich zusammengefaltet vor der Statue des großen Gottes niedergelegt, war nach Hause zurückgekehrt, hatte ein heißes Bad genommen und sich dann mit einem Messer die Schlagadern an den Händen geöffnet.
Der Pontifex Maximus Scaevola las den Brief.
Ich weiß, Quintus Mucius, daß Du Dich dafür entschieden hast, Dich auf die Seite von Lucius Cinna und Gaius Marius zu stellen. Ich habe sogar allmählich Deine Gründe zu verstehen begonnen. Dein Mädchen ist dem jungen Marius versprochen; ein solch hübsches Vermögen kann man nicht einfach wegwerfen. Aber Du irrst Dich. Gaius Marius hat den Verstand verloren, und die Männer, die ihm folgen, sind kaum besser als Barbaren. Ich meine damit nicht seine Sklaven. Ich meine Männer wie Fimbria, Annius und Censorinus. Cinna ist in mancher Hinsicht ein anständiger Mensch, aber er hat keine Macht über Gaius Marius. Auch Du hast das nicht.
Wenn Du diesen Brief erhältst, werde ich tot sein. Es scheint mir unendlich angenehmer zu sterben, als den Rest meines Lebens im Exil zu verbringen — oder einen sehr kurzen Rest meines Lebens als Opfer des Gaius Marius. Meine armen, armen Brüder! Es ist mir lieber, wenn ich die Zeit, den Ort und die Umstände meines Todes selbst wählen kann. Wenn ich bis morgen warte, kann ich das nicht mehr selbst entscheiden.
Ich habe meine Memoiren beendet, und ich gebe freimütig zu, daß es mich traurig stimmt, die Reaktion auf ihre Veröffentlichung nicht mehr erleben zu können. Aber die Memoiren werden überleben, auch wenn ich sterbe. Um sie zu retten — denn sie sind wenig schmeichelhaft für Gaius Marius! — habe ich sie Mamercus mitgegeben. Er soll sie Lucius Cornelius Sulla in Griechenland bringen. Wenn Mamercus eines besseren Tages zurückkehrt, wird er sie veröffentlichen. Und er hat auch versprochen, Publius Rutilius Rufus in Smyrna eine Kopie zu schicken, als Vergeltung für die giftigen Kommentare, die Rutilius Rufus über mich veröffentlicht hat.
Paß gut auf Dich auf, Quintus Mucius. Es würde mich interessieren, wie Du Deine Prinzipien mit den Erfordernissen der gegenwärtigen Lage in Einklang bringst. Ich könnte es nicht. Aber meine Kinder sind schließlich alle bereits verheiratet.
Scaevola hatte Tränen in den Augen, als er das Pergament zusammenknüllte und auf die Kohlenpfanne warf. Es war kalt, und er war alt und spürte die Kälte.
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