MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Führer seiner Liktoren. »Schick sofort einen Boten auf das Marsfeld und lasse Quintus Sertorius hierher rufen«, befahl er. »Sage ihm, was sich ereignet hat.«
Marius’ Liktoren trugen Gaius Marius auf einer Bahre davon, und die Ardiaier folgten der Bahre wehklagend den Hang hinauf. Cinna, Carbo, Marius Gratidianus, Magius, Vergilius und Popillius Laenas stiegen von der Rostra und warteten an ihrem Fuß auf Quintus Sertorius. Sie saßen auf einer der Umfassungsmauern des Comitiums und versuchten, ihre Gedanken zu ordnen.
»Ich kann nicht glauben, daß er immer noch lebt!« sagte Cinna verwundert.
»Ich glaube, er würde selbst dann wieder aufstehen und herumlaufen, wenn ihm jemand ein gutes römisches Schwert zwei Fuß tief zwischen die Rippen steckte«, sagte Vergilius zornig.
»Was willst du jetzt tun, Lucius Cinna?« fragte Gratidianus, der zwar wie die anderen empfand, dies aber nicht zugeben konnte und es deshalb für besser hielt, das Thema zu wechseln.
»Ich weiß nicht.« Cinna runzelte die Stirn. »Deshalb warte ich auf Quintus Sertorius. Ich schätze seinen Rat.«
Eine Stunde später kam Sertorius.
»Etwas Besseres hätte nicht passieren können«, sagte er zu den Männern, besonders aber zu Marius Gratidianus. »Du brauchst dich nicht als Verräter zu fühlen, Marcus Marius. Du bist adoptiert, du hast weniger marianisches Blut in den Adern als ich. Und meine Mutter gehörte zwar zur Familie des Marius, aber ich sage es dennoch ohne Furcht oder Schuldgefühle: Gaius Marius ist im Exil verrückt geworden. Er ist nicht mehr der Gaius Marius, den wir kannten.«
»Was sollen wir tun, Quintus Sertorius?« fragte Cinna.
Sertorius sah ihn erstaunt an. »Was ihr tun sollt? Du bist doch der Konsul, Lucius Cinna! Du mußt selbst wissen, was du zu tun hast.«
Cinnas Gesicht wurde purpurrot, und er machte eine abwehrende Handbewegung. »Über meine Pflichten als Konsul weiß ich Bescheid, Quintus Sertorius«, sagte er scharf. »Ich habe dich hierher gerufen, weil ich dich fragen will, wie wir die Ardiaier loswerden können.«
»Ach, ich verstehe«, sagte Sertorius langsam. Er trug noch immer eine Bandage über dem linken Auge, aber die Wunde schien nun trocken zu sein. Die Bandage schien Sertorius nicht zu behindern.
»Solange die Ardiaier in der Stadt sind, gehört Rom Marius«, sagte Cinna. »Das Problem ist, daß sie die Stadt wahrscheinlich nicht freiwillig verlassen werden. Sie haben Gefallen daran gefunden, sie zu terrorisieren. Warum sollten sie damit aufhören, nur weil Gaius Marius handlungsunfähig ist?«
»Man kann sie dazu zwingen«, sagte Sertorius und lächelte unangenehm. »Ich kann sie umbringen lassen.«
Carbo sah höchst erfreut aus. »Gut!« rief er. »Ich hole alle Männer herbei, die noch auf der anderen Seite des Flusses lagern.«
»Nein, nein!« rief Cinna entsetzt. »Noch eine Schlacht in den Straßen Roms? Das können wir nach all den Greueln der letzten sechs Tage nicht tun!«
»Ich weiß, was wir tun müssen!« sagte Sertorius, der ungeduldig diese kleinen Unterbrechungen abgewartet hatte. »Lucius Cinna, du rufst morgen bei Tagesanbruch die Anführer der Ardiaier hierher zur Rostra. Du teilst ihnen mit, Gaius Marius habe noch auf dem Totenbett an sie gedacht und dir Geld gegeben, das ihnen ausbezahlt werden solle. Das bedeutet, daß du Gaius Marius heute in seinem Haus besuchen mußt. Man muß dich dort sehen. Du mußt so lange dort bleiben, daß es aussieht, als hättest du dich tatsächlich mit ihm unterhalten.«
»Ich soll ihn besuchen?« fragte Cinna, dem schon der Gedanke daran einen Schrecken einjagte.
»Weil die Ardiaier heute und die ganze Nacht hindurch auf der Straße vor Gaius Marius’ Haus auf Nachrichten über sein Befinden warten werden.«
»Ja, natürlich werden sie das tun«, sagte Cinna. »Entschuldige, Quintus Sertorius, mein Verstand funktioniert heute nicht so gut. Und dann?«
»Du erklärst den Anführern, du hättest die Sache so geregelt, daß die Ardiaier das Geld zur zweiten Stunde des Tages bei der Villa Publica auf dem Marsfeld ausbezahlt bekämen«, sagte Sertorius grinsend. »Ich werde dort mit meinen Männern warten. Und das wird dann wirklich das Ende der Schreckensherrschaft des Gaius Marius sein.«
Als Gaius Marius in sein Haus getragen wurde, sah Julia in tiefster Trauer und mit unendlichem Mitleid auf ihn herab. Er lag mit geschlossenen Augen auf der Bahre, sein Atem ging laut.
»Sein Ende ist gekommen«, sagte sie zu den
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