MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Pferdegesicht.«
»Du bist unverschämt«, sagte Julia mit schneidender Stimme und wies den jungen Mann voller Abscheu aus ihrem Zimmer.
Im Palast wimmelte es von gutaussehenden jungen Männern. Die meisten waren Sklayen, einige offenbar aber auch freie Männer im Dienst des Königs oder seiner Söhne. Ferner gab es Dutzende kleiner Jungen, die noch hübscher waren als die jungen Männer. Was ihre oberste Pflicht war, versuchte Julia aus ihren Gedanken zu verbannen, besonders wenn sie an den jungen Marius dachte, der so attraktiv, freundlich und offenherzig war und dessen Pubertät bevorstand.
»Gaius Marius, behältst du bitte ein Auge auf unseren Sohn?« fragte sie ihren Mann vorsichtig.
»Du meinst wegen der Zierblüten, die hier herumstolzieren?« Marius lachte. »Du brauchst dir seinetwegen keine Sorgen zu machen, Teuerste. Er ist ein aufgeweckter Bursche und kann ein Zuckertörtchen sehr wohl von einem anständigen Schweinelendchen unterscheiden.«
»Danke für die Beruhigung — und für den Vergleich«, sagte Julia lächelnd. »Deine Sprache ist im Lauf der Jahre nicht gerade taktvoller geworden, Gaius Marius.«
»Ganz im Gegenteil«, sagte er unerschüttert.
»Das meinte ich ja eben.«
»Ach so? Ja.«
»Hast du dich in Nikomedeia schon genug umgesehen?« fragte sie unvermittelt.
»Wir sind doch erst seit acht Tagen hier«, sagte er überrascht. »Deprimiert dich die Zirkusatmosphäre?«
»Ja, ich glaube schon«, sagte Julia, die gestrenge und ehrbare römische Gattin. »Ich wollte immer schon wissen, wie Könige leben, aber wenn Bithynien dafür ein Beispiel ist, ziehe ich das römische Leben vor. Es ist nicht die Homosexualität, sondern all der Tratsch, das Gehabe, die Affektiertheit. Die Sklaven sind ein Skandal. Und die königlichen Frauen sind keine Frauen, mit denen ich irgend etwas gemeinsam habe. Oradaltis ist so laut, daß ich mir am liebsten die Ohren zuhalten möchte, und Musa — sie hat den richtigen Namen, wenn man dabei an mus denkt, die Maus, und nicht an musa, die Muse! Ja, Gaius Marius, ich wäre froh, wenn wir so bald wie möglich weiterreisen könnten.«
»Wir können morgen aufbrechen«, sagte Marius fröhlich und zog eine Schriftrolle aus seiner Toga. »Dies ist uns seit Halikarnassos gefolgt und hat mich nun endlich erreicht. Ein Brief des Publius Rutilius Rufus, und rate mal, wo er ist.«
»In der Provinz Asia?«
»In Pergamon, genauer gesagt. Quintus Mucius Scaevola ist dort dieses Jahr Statthalter, und Publius Rutilius ist sein Legat.« Marius wedelte freudestrahlend mit dem Brief. »Ich glaube, sowohl Statthalter als auch Legat wären überaus erfreut, uns zu sehen. Seit Monaten schon, denn der Brief sollte uns eigentlich schon im Frühjahr erreichen. Inzwischen sind sie sicher ganz ausgehungert nach Gesellschaft.«
»Abgesehen von seinem Ruf als Anwalt kenne ich Quintus Mucius Scaevola gar nicht.«
»Ich kenne ihn auch nicht besonders gut. Ich weiß kaum mehr über ihn, als daß er und sein Vetter Crassus Orator unzertrennlich sind. Eigentlich kein Wunder, daß ich ihn wenig kenne. Er ist kaum vierzig.«
Der alte Nikomedes hatte gehofft, seine Gäste würden mindestens einen Monat bei ihm bleiben, und ließ sie deshalb nur ungern gehen, aber gegen den Willen von Marius konnte der ängstliche, etwas dümmliche Greis nichts ausrichten, und so brachen sie auf. Mit den Klagerufen des Königs im Ohr, segelten sie durch den engen Hellespont ins Ägäische Meer. Wind und Strömung waren günstig.
Sie fuhren in die Mündung des Flusses Kaikos hinein und erreichten das ein paar Meilen landeinwärts gelegene Pergamon auf dem Weg, der die Stadt im vorteilhaftesten Licht erscheinen ließ. Hoch oben thronte die Akropolis auf einem Bergkegel, dahinter ragten noch höhere Berge auf.
Quintus Mucius Scaevola und Publius Rutilius Rufus waren beide da, aber Marius und Julia hatten keine Gelegenheit, Scaevola näher kennenzulernen, denn er stand im Begriff, nach Rom abzureisen.
»Wir hätten dich diesen Sommer so gern hier gehabt, Gaius Marius!« sagte Scaevola seufzend. »Aber jetzt muß ich nach Rom aufbrechen, bevor die Jahreszeit eine Seereise zu riskant macht.« Er lächelte. »Publius Rutilius wird euch alles erzählen.«
Marius und Rutilius Rufus begleiteten Scaevola zum Hafen, um ihn zu verabschieden. Julia richtete sich mittlerweile im Palast ein, der ihr weit besser gefiel als der in Nikomedeia, obwohl sie hier nur wenig weibliche Gesellschaft hatte.
Marius fiel dieser
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