MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Gaius Papius Mutilus gehörte einem Volk an, das einer der entschlossensten und unversöhnlichsten Feinde Roms war. Die Feindschaft zwischen Römern und Samniten ging bereits auf die Zeit zurück, als die kleine, noch im Entstehen begriffene römische Gemeinde am Tiber zum ersten Mal die Zähne gezeigt hatte. Mutilus haßte Rom und die Römer mit jeder Faser seines Herzens, jedem bewußten und unbewußten Gedanken. Er sehnte sich wie alle Samniten danach, Rom für alle Zeiten aus dem Gedächtnis der Menschheit auszulöschen. Silo war ein politischer Gegner Roms, Mutilus war Roms Feind.
Wie überall, wo das gemeinsame Interesse groß genug ist, um alle Einwände und praktischen Erwägungen unwichtig erscheinen zu lassen, waren sich auch die italischen Führer, die eigentlich nur zusammengekommen waren, um zu überlegen, ob man überhaupt etwas tun konnte, schnell einig, daß es nur eins zu tun gab — sich von Rom loszusagen. Alle kannten sie jedoch Rom gut genug, um zu wissen, daß die Einigung nicht ohne einen Krieg zu haben war. Daher schlug auch keiner der Teilnehmer vor, in den nächsten Jahren irgendeine Erklärung ihrer Unabhängigkeit zu veröffentlichen. Statt dessen beschlossen die Führer der italischen Bundesgenossen, die Zeit für die Vorbereitung eines Krieges gegen Rom zu nutzen. Für diesen Krieg waren enorme Anstrengungen und riesige Geldsummen nötig — und mehr Männer, als in den Jahren unmittelbar nach Arausio zur Verfügung standen. Es wurde also kein bestimmter Zeitpunkt festgesetzt oder erwogen. Während die italischen Knaben zu kampffähigen Männern heranwuchsen, sollten alle Energien und finanziellen Mittel auf die Herstellung von Waffen und Ausrüstung und ausreichender Mengen anderer kriegsnotwendiger Güter konzentriert werden, um einen siegreichen Ausgang des Waffengangs überhaupt erst in den Bereich des Möglichen zu rücken.
Fürs erste konnte man auf wenig zurückgreifen. Die vergangenen Feldzüge hatten weitab von Italien stattgefunden, und die Waffen und Rüstungen der Gefallenen gelangten fast nie wieder in die Hände der Bundesgenossen, vor allem deshalb, weil die Römer sie meist selbst von den Schlachtfeldern aufsammelten und dann natürlich vergaßen, sie als Eigentum der Bundesgenossen zu deklarieren. Einen Teil der Waffen konnte man offen einkaufen, aber er reichte lange nicht, um die 100 000 Mann zu bewaffnen, die das neue Italia nach Schätzungen von Silo und Mutilus brauchen würde, um Rom zu besiegen. Die Aufrüstung mußte also geheim durchgeführt werden und war dementsprechend langwierig. Jahre würden ins Land ziehen, bevor an eine Entscheidungsschlacht zu denken war.
Die Sache wurde noch dadurch kompliziert, daß sämtliche Vorbereitungen in Gegenwart von Männern durchgeführt werden mußten, die, wenn sie erfuhren, was vor sich ging, sofort einem Römer oder Rom direkt Bericht erstatten würden. Vor allem den Kolonien latinischen Rechts und reisenden römischen Bürgern durfte man nicht trauen. Daher wurden die Hauptquartiere und die Aufbewahrungsorte für Kriegsgerät in armen, von römischen Straßen und latinischen Kolonien abgelegenen Gebieten errichtet, die normalerweise kein Römer betrat. Überall türmten sich neue Schwierigkeiten und Gefahren vor den Führern der italischen Stämme auf. Dennoch machte man Fortschritte bei der Beschaffung von Kriegsgerät, und vor kurzem hatte man außerdem mit der Ausbildung neuer Soldaten beginnen können, denn ein paar italische Knaben waren zu jungen Männern herangewachsen.
All dies wußte Quintus Poppaedius Silo, als er sich zwanglos in das Tischgespräch einmischte, aber er verspürte deshalb weder Schuldgefühle noch Angst. Schließlich wußte außer ihm in dieser Runde niemand davon. Und vielleicht war es zuletzt ja auch Marcus Livius Drusus in seiner ruhigen und gründlichen Art, der eine Lösung des Problems fand. Man hatte schon von ganz anderen Dingen gehört.
»Quintus Servilius verläßt uns für einige Monate«, gab Drusus bekannt. Es war ein willkommener Themenwechsel.
Silo meinte in Livia Drusas Augen Freude aufflackern zu sehen. Er hielt die Schwester seines Freundes für eine ausnehmend hübsche Frau, war jedoch noch nicht schlau aus ihr geworden. Gefiel ihr das Leben, das sie führte? Liebte sie Caepio? Wohnte sie gern im Haus ihres Bruders? Sein Instinkt sagte ihm, daß all diese Fragen mit Nein zu beantworten seien, aber er war sich nicht sicher. Dann begann Caepio über seine Pläne zu
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