MoR 02 - Eine Krone aus Gras
Führer meines Volkes zerbreche ich mir Tag für Tag den Kopf, wo ich die Ausrüstung für die Legionen herbekommen soll, die wir Rom sicher schon bald wieder stellen müssen. Dasselbe gilt mit Sicherheit für die Samniten und alle anderen italischen Stämme.«
»Vergiß Spanien nicht«, sagte Drusus an Caepio gewandt. »Dort müßte es doch auch noch genügend Wälder in der Nähe von Eisenhütten geben.«
»In Hispania Ulterior schon«, entgegnete Caepio, der stolz war, so plötzlich zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses geworden zu sein, eine für ihn völlig neue Erfahrung. »Die Waldbestände der alten karthagischen Eisenhütten der Orospeda sind längst erschöpft, aber die neuen Hütten befinden sich in ausgedehnten Waldgebieten.«
»Wann, glaubst du, werden deine Städte mit der Produktion anfangen können?« fragte Silo beiläufig.
»In Gallia Cisalpina hoffentlich in den nächsten zwei Jahren«, antwortete Caepio. Rasch fügte er hinzu: »Natürlich habe ich mit den Betrieben selbst und den dort produzierten Waren nichts zu tun. Ich würde nie etwas tun, was das Mißfallen der Zensoren erregen könnte. Ich selbst kümmere mich nur um den Bau der Städte und treibe dann die Pacht ein — eine völlig standesgemäße Beschäftigung für einen Senator.«
»Das ist sehr löblich«, bemerkte Silo ironisch. »Ich hoffe, daß du deine Städte nicht nur in der Nähe von Wäldern, sondern auch an schiffbaren Flüssen plazierst.«
»Das werde ich«, versicherte Caepio.
»Die Gallier sind gute Schmiede«, sagte Drusus.
»Aber sie sind keine guten Organisatoren und schaffen deshalb viel weniger, als sie könnten«, entgegnete Caepio und blickte selbstzufrieden in die Runde. Man sah ihn nun immer häufiger so. »Wenn ich die Sache erst in die Hand nehme, geht es schnell voran.«
»Der Handel ist deine Stärke, Quintus Servilius, das ist mir jetzt völlig klar geworden«, meinte Silo. »Du solltest dich aus dem Senat zurückziehen und in den Ritterstand eintreten. Dann könntest du auch Besitzer der Gießereien und Köhlereien sein.«
»Du meinst, ich sollte mit Leuten verhandeln?« fragte Caepio entsetzt. »Nein, nie! Das überlasse ich anderen!«
»Aber willst du die Pacht denn nicht persönlich eintreiben?« fragte Silo verschlagen und starrte dabei auf den Boden.
»Ganz sicher nicht!« Caepio fiel auf den Köder herein. »Ich werde eine kleine Agentur in Placentia damit beauftragen. Es mag ja vielleicht angehen, daß deine Cousine Aurelia ihre Mieten persönlich eintreibt, Marcus Livius«, sagte er, an Drusus gewandt, »aber ich persönlich finde, es zeugt von sehr schlechtem Stil.«
Es hatte eine Zeit gegeben, als Drusus bei der bloßen Erwähnung von Aurelias Namen einen Stich im Herzen verspürt hatte, denn er war einer der glühendsten Bewerber um ihre Hand gewesen. Aber jetzt war er sich der Liebe zu seiner Frau sicher und konnte seinem Schwager gelassen erklären: »Aurelia kann man nicht mit anderen vergleichen. Für sie gelten andere Maßstäbe. Ich halte ihren Geschmack für über jeden Tadel erhaben.«
Die Frauen hatten sich nicht an der Unterhaltung beteiligt. Nicht daß sie nichts zu sagen gehabt hätten, aber keiner der Männer ermunterte sie, sich zu beteiligen. Und sie waren es gewohnt, schweigend dabeizusitzen.
Nach dem Essen entschuldigte sich Livia Drusa und erklärte, sie habe etwas Wichtiges zu tun. Ihre Schwägerin Servilia Caepionis blieb bei dem kleinen Drusus Nero im Kinderzimmer. Da es draußen dunkel und kalt war, ließ sich Livia Drusa von einem Diener eine Decke bringen. Sie wickelte sich darin ein und ging dann durchs Atrium auf die Loggia hinaus, wo mit Sicherheit niemand sie suchen würde und sie eine Stunde ungestört allein sein konnte. Allein! Endlich allein! Sie war überglücklich.
Er würde also verreisen! Endlich! Darauf hatte sie schon so lange gewartet. Selbst als Quästor hatte Caepio sich eine Aufgabe innerhalb der Stadtgrenzen Roms zuweisen lassen. Und während der drei Jahre, die sein Vater vor seinem Tod in der Verbannung in Smyrna gelebt hatte, hatte Caepio ihn kein einziges Mal besucht. Quintus Servilius Caepio war nur für kurze Zeit im ersten Jahr ihrer Ehe von seiner Frau getrennt gewesen, als er als Militärtribun an der Schlacht von Arausio teilgenommen und diese zur allgemeinen Überraschung sogar unverletzt überlebt hatte.
Sie hatte keine Ahnung, was er vorhatte, und es interessierte sie auch nicht — Hauptsache, er war verreist.
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