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MoR 02 - Eine Krone aus Gras

Titel: MoR 02 - Eine Krone aus Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Marser konnten sich deshalb nicht um staatliche Aufträge aus Rom bewerben, sich nicht mit römischen Bürgern verheiraten und sich, wenn sie wegen eines Kapitalverbrechens verurteilt wurden, nicht an ein römisches Gericht wenden. Ein römischer Bürger konnte sie halbtot prügeln und ihnen die Ernte oder die Frau stehlen, ohne daß er gerichtlich belangt werden konnte.
    Hätte Rom die Marser wenigstens innerhalb ihres fruchtbaren Hochlandes in Ruhe gelassen, dann wären all diese Ungerechtigkeiten leichter erträglich gewesen. Aber wie in allen Teilen der italienischen Halbinsel, die nicht ausdrücklich römisches Territorium waren, hatte Rom auch hier einen Fremdkörper in Gestalt einer Kolonie latinischen Rechts namens Alba Fucentia eingepflanzt. Es war kaum verwunderlich, daß der kleine Ort Alba Fucentia sich rasch zu einer Stadt und dann zur größten Ansiedlung der gesamten Region entwickelte, siedelte doch innerhalb ihrer Mauern ein kleiner Stamm von römischen Vollbürgern, die ohne jegliche Beschränkungen Handel mit Rom treiben durften. Zudem besaßen die übrigen Einwohner Alba Fucentias latinisches Bürgerrecht, ein römisches Bürgerrecht zweiter Klasse, das seinem Inhaber neben dem Wahlrecht in Rom auch die meisten anderen Privilegien römischer Bürger verlieh. Die städtischen Beamten bekamen bei ihrem Amtsantritt automatisch das volle römische Bürgerrecht verliehen und vererbten es an ihre direkten Nachkommen. Alba Fucentia war deshalb auf Kosten der alten marsischen Hauptstadt Marruvium gewachsen und gemahnte ständig an die Unterschiede zwischen Römern und Italikern.
    Früher hatten alle Bewohner Italiens das latinische Recht als Vorstufe zum Erwerb des vollen römischen Bürgerrechts angestrebt, und Rom war sich unter Führung so tapferer und hervorragender Männer wie Appius Claudius Caecus durchaus bewußt, daß Veränderungen nötig waren, und es war weise genug zu erkennen, daß ganz Italien schließlich römisch werden mußte. Als sich jedoch einige italische Völkerschaften mit Hannibal verbündeten, der plündernd durch die italienische Halbinsel zog, verhärtete sich die Haltung Roms gegenüber den Italikern, und das römische Bürgerrecht und sogar das ius Latii wurde nur noch äußerst selten verliehen.
    Ein weiterer Grund hierfür war der massenhafte Zuzug von Italikern in Städte römischen oder latinischen Rechts oder gar nach Rom selbst. Wer sich über einen längeren Zeitraum hinweg in einer dieser Städte aufhielt, erhielt automatisch das latinische und sogar das volle römische Bürgerrecht übertragen. Die Paeligner beispielsweise beklagten die Abwanderung von 4 000 ihrer Angehörigen in die latinische Stadt Fregellae und nahmen sie als Vorwand dafür, Rom im Bedarfsfall keine Soldaten mehr zu stellen.
    Rom bemühte sich immer wieder, dem Problem des Massenzuzugs Herr zu werden. Diese Bemühungen fanden ihren Höhepunkt in einem Gesetz, das der Volkstribun Marcus Junius Pennus ein Jahr vor dem Aufstand Fregellaes einbrachte. Pennus wies sämtliche Einwohner ohne römisches Bürgerrecht aus Rom und den römischen Kolonien aus und brachte dadurch einen Skandal ans Tageslicht, der den römischen Amtsadel in seinen Grundfesten erschütterte. Es stellte sich nämlich heraus, daß Marcus Perperna, der vier Jahre zuvor Konsul gewesen war, ein Italiker war, der nie das römische Bürgerrecht besessen hatte!
    Dieser Vorfall löste in den führenden Kreisen Roms eine Welle der Empörung aus. Marcus Livius Drusus, der Zensor und Vater von Drusus, war einer der schärfsten Gegner weiterer Zugeständnisse an die italischen Bundesgenossen. Derselbe Marcus Livius Drusus hatte das Komplott gegen Gaius Gracchus vorbereitet und zum Scheitern seiner Gesetze beigetragen.
    Wer hätte ahnen können, daß Marcus Livius Drusus’ Sohn, der nach dem Tod des Vaters während seiner Amtszeit als Zensor frühzeitig die Rolle des pater familias übernehmen mußte, die Politik und die Ziele seines Vaters über Bord werfen würde. Der junge Marcus Livius Drusus, Sproß alten plebejischen Adels und Mitglied des Priesterkollegiums, ein unglaublich reicher Mann, der mit den Patriziergeschlechtern des Servilius Caepio, Cornelius Scipio und Aemilius Lepidus blutsverwandt oder durch Heirat verbunden war, hätte sich eigentlich zu einer Säule der ultrakonservativen Fraktion entwickeln müssen, die den Senat — und damit Rom — beherrschte. Daß dies nicht der Fall war, war allein auf einen Zufall

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