MoR 03 - Günstlinge der Götter
bestehenden Geschworenengerichten in die Verbannung geschickt worden waren, heimkehren sollten.
Natürlich hatte Sulla auch Marotten. Wieder einmal waren die Frauen die Leidtragenden, denn von nun an war es jeder Ehebrecherin untersagt, sich wieder zu verheiraten. Auch Wetten, die er verabscheute, waren verboten, außer bei Boxkämpfen und Wettläufen, die ohnehin keine großen Menschenmengen anzogen. Sudas größte Marotte aber waren die Staatsbeamten, die er für chaotisch, schludrig, faul und korrupt hielt. Deshalb regelte er die Arbeit der Sekretäre, Schreiber, Buchhalter, Herolde, Liktoren und Kuriere, der calatores genannten Diener der Priester, der nomenclatores, die andere an die Namen wieder anderer erinnern mußten, und der gewöhnlichen Beamten ohne spezielle Berufsbezeichnung, der apparitores, bis ins kleinste Detail. Künftig wußte keiner dieser Beamten, in wessen Dienst er trat, wenn die neuen Magistraten ihr Amt antraten, und kein Magistrat konnte namentlich bestimmte Beamte anfordern. Der Losentscheid galt für drei Jahre im voraus, und keine Gruppe diente ständig demselben Magistrat.
Nachdem Sulla bereits jede lautstarke Äußerung des Beifalls oder Unmuts verboten und die Reihenfolge, in der die Senatoren sprachen, geändert hatte, fand er neue Möglichkeiten, den Senat zu verärgern. Er erließ ein Gesetz, das sich auf das Einkommen armer Senatoren nachteilig auswirkte: Die Summe, die Delegationen aus den Provinzen ausgeben konnten, wenn sie in Rom Loblieder auf einen ehemaligen Statthalter anstimmten, wurde begrenzt, was bedeutete, daß die Delegationen bestimmten bedürftigen Senatoren kein Geld mehr geben konnten.
Sullas Gesetzeswerk umfaßte alle Bereiche des öffentlichen Lebens sowie einen Großteil des Privatlebens. Jeder kannte seine Pflichten und Möglichkeiten — er wußte, wieviel er ausgeben konnte, wieviel er einnehmen durfte, wieviel er an die Staatskasse zahlen mußte, wen er heiraten durfte und wo und weswegen er vor Gericht gestellt werden konnte. Ein gewaltiges, praktisch im Alleingang durchgeführtes Unternehmen. Die Ritter waren entmachtet, die Kriegshelden standen ganz oben. Die Versammlung der Plebs und die Volkstribunen waren geschwächt, der Senat war stark. Wer mit den Geächteten engen Kontakt gehabt hatte, war chancenlos, Männer wie Pompeius Magnus hatten die Zügel ergriffen. Gefragt waren nicht mehr Redner wie Quintus Hortensius, die sich in der Volksversammlung ausgezeichnet hatten, sondern Redner wie Cicero, die in der intimeren Atmosphäre der Gerichte glänzten.
»Kein Wunder, daß Rom wankt«, sagte der neue Konsul Appius Claudius Pulcher zu seinem Amtskollegen Publius Servilius Vatia. »Aber trotzdem begehrt keiner gegen Sulla auf.«
»Ein Grund dafür ist die Klugheit vieler seiner Gesetze«, erwiderte Vatia. »Sulla ist ein Genie!«
Appius Claudius nickte träge, aber Vatia verstand diese Teilnahmslosigkeit keineswegs falsch. Seit der Rückkehr von der unvermeidlichen Belagerung Nolas, die Claudius zehn Jahre lang mit Unterbrechungen geführt hatte, ging es ihm nicht gut. Zudem war er ein Witwer mit sechs Kindern, die bereits dafür bekannt waren, daß es ihnen an Disziplin mangelte und daß sie ihre heftigen Streitereien mit Vorliebe in der Öffentlichkeit austrugen.
Vatia hatte Mitleid mit seinem Kollegen und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. »Auf, Appius Claudius, sei doch etwas optimistischer! Du hast eine schwere Zeit hinter dir, aber jetzt hast du es endlich geschafft.«
»Ich habe es erst geschafft, wenn ich das Vermögen meiner Familie wieder habe«, sagte Appius Claudius verdrossen. »Dieser gemeine Schuft Philippus hat mir alles genommen und es Cinna und Carbo gegeben — und Sulla hat es mir nicht zurückgegeben.«
»Du hättest ihn daran erinnern sollen«, sagte Vatia vernünftig. »Wie du weißt, hatte er eine Menge zu tun. Warum hast du während der Proskriptionen nicht günstig gekauft?«
»Ich war damals in Nola, wenn du dich erinnerst«, erwiderte der Unglückliche.
»Nächstes Jahr wirst du Statthalter einer Provinz, dann kommt alles wieder in Ordnung.«
»Wenn ich gesund bleibe.«
»Ach Appius Claudius! Sei nicht so pessimistisch! Es renkt sich schon alles wieder ein.«
»Da bin ich nicht so sicher. Bei meinem Pech werde ich bestimmt nach Hispania Ulterior geschickt, um Pius abzulösen.«
»Das wirst du nicht, das verspreche ich dir«, beruhigte Vatia ihn. »Wenn du nicht mit Lucius Cornelius sprichst, tue ich es
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