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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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verständnisvoll an. Dann beugte er sich zu ihr und streichelte ihren Nacken, als wüßte er, daß dieser von der Anstrengung, das stolze Patrizierhaupt hochzuhalten, schmerzte.
    »Du bist viel zu gut für ihn«, sagte sie und wunderte sich über sich selbst.
    »Alles, was ich bin, verdanke ich ihm«, sagte Metrobius ernst. »Wenn er nicht gewesen wäre, wäre ich nichts weiter als ein Schauspieler.«
    »Nun, anscheinend bleibt mir keine andere Wahl, als mich diesem Zirkus anzuschließen. Aber, wenn du nichts dagegen hast, nicht auf dem Höhepunkt. Ich habe nicht die Kraft oder die Ausdauer für solchen Trubel. Wenn du meinst, er braucht mich, dann sag mir Bescheid.«
    Dabei ließen sie es bewenden. Wie Metrobius vorausgesagt hatte, bekam Sulla eine Woche nach Beginn des Gelages Beschwerden, und die Gäste wurden nach Hause geschickt. Der Possenspieler Sorex und der Komödiant Roscius zogen sich in ihre Zimmer zurück, während Valeria, Metrobius und Lucius Tuccius sich um den kranken Sulla kümmerten. Manchmal war er ein dankbarer, manchmal aber auch ein schwieriger Patient.
    Nachdem der ehemalige Diktator sich wieder etwas erholt hatte, begann er, seine Memoiren zu schreiben; ein Lobgesang, so erklärte er Valeria und Metrobius, auf Rom und auf Männer wie Catulus Caesar — sowie auf sich selbst —, aber auch ein metaphorischer Anschlag auf Gaius Marius, Cinna, Carbo und deren Anhänger.

    Am Ende des alten Jahres und am Ende des Konsulats von Vatia und Appius Claudius hatte sich Sulla in Misenum installiert. Die ganze Villa fügte sich seinen Launen. Für eine Weile schrieb er an seinen Memoiren. Immer wenn ihm eine besonders treffende und bösartige Wendung auf Gaius Marius’ Kosten einfiel, lachte er leise in sich hinein; während er das Buch über den Krieg gegen Jugurtha verfaßte, bereitete ihm der Gedanke Vergnügen, daß er jetzt mit eigenen Worten zugeben konnte, daß Jugurthas Gefangennahme und die erfolgreiche Beendigung des Krieges sein persönlicher Verdienst waren — und daß Marius diese Tatsache absichtlich vertuscht hatte. Danach legte er Feder und Papier beiseite und inszenierte private Komödien und Possenspiele oder gab ein großes Fest, das zuweilen eine ganze Marktwoche dauerte. Dank seiner reichen Phantasie sorgte er stets für Abwechslung. Zu seinem Programm gehörten Scheinjagden mit nackten Knaben und Mädchen als Beute, Wettbewerbe um die bizarrste Stellung beim Geschlechtsverkehr sowie ausgeklügelte Scharaden, bei denen die Teilnehmer sich nahezu beliebig kostümieren konnten. Sulla veranstaltete lustige Feste und Nacktpartys bei Mondschein, oder er lud bei Tag Gäste ein, die entzückt zusahen, wie sich nackte Jünglinge und Mädchen in dem großen Schwimmbecken aus weißem Marmor vergnügten. Sein Einfallsreichtum und seine Vorliebe für Neuheiten sexueller Art schienen unerschöpflich.
    Es gab jedoch keinen Zweifel, daß sich Sullas Gesundheitszustand allmählich verschlechterte. Nach der Jahreswende nahm seine Potenz zusehends ab; Ende Februar konnte ihn nichts mehr in Erregung versetzen. Danach sank seine Stimmung rapide.
    Seit dem Umzug nach Misenum suchte nur einer seiner hochgeborenen römischen Freunde Sullas Gesellschaft — Lucullus. Er war während des Quintilis mit seinem Bruder in Africa gewesen, um dort das Einfangen wilder Tiere für die Spiele im September persönlich zu überwachen. Als er Mitte des Monats Sextilis nach Rom zurückkehrte, wurde durch Berichte über die jüngsten Ausschweifungen auf dem Landgut in Misenum dem Aufruhr in der Stadt immer neue Nahrung gegeben.
    »Ihr alle, die ihr über ihn urteilt, solltet erst einmal vor eurer eigenen Tür kehren«, erklärte Lucullus. »Sulla kann tun und lassen, was er will.«
    Aber erst einige Tage nach dem Ende der ludi Romani fand Lucullus Zeit, Sulla zu besuchen. Er traf ihn in einem lichten Augenblick an; Sulla arbeitete an seinen Memoiren und schwelgte in Schadenfreude darüber, was er dem Ruf und den Taten des Gaius Marius damit antat.
    »Du bist der einzige, Lucullus«, sagte er, und für einen Moment war in den wäßrigen, schmerzerfüllten Augen eine Spur des alten Sulla zu entdecken.
    »Niemand hat ein Recht, dich zu kritisieren!« sagte Lucullus naserümpfend. »Du hast für Rom auf alles verzichtet.«
    »Stimmt. Und ich leugne nicht, daß es schwer war. Aber, lieber Freund, wenn ich mich all die Jahre nicht selbst verleugnet hätte, hätte ich an den gegenwärtigen Ausschweifungen nicht halb so viel

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