MoR 03 - Günstlinge der Götter
Mamercus hingegen bedauerten ihre Abwesenheit.
Auf dem Marktplatz innerhalb des Tores wimmelte es von Leuten, die ihren verschiedenen Tätigkeiten nachgingen — kaufen, verkaufen, feilschen, unterrichten, herumbummeln, flirten, essen. Natürlich wurden die Männer in den purpurn umsäumten Togen aufmerksam gemustert, und aus allen Richtungen ertönten die üblichen lautstarken Beschimpfungen gegen die Oberschicht. Die kurulischen Senatoren waren jedoch daran gewöhnt und nahmen keine Notiz davon. Sie stellten sich in die Nähe des Torbogens, warteten und plauderten miteinander.
Nach einer Weile erklang Musik — Pfeifen, Trommeln und Flöten vereinigten sich zu einer unverkennbar bacchantischen Weise. Die Menschen auf dem Platz blieben verdutzt stehen und bildeten eine Gasse, um den Zug durchzulassen, der jetzt aus der Richtung des Palatin auftauchte. An der Spitze gingen blumengeschmückte Huren in feuerroten Togen. Sie schlugen Tamburine gegen ihre Handgelenke und streuten Rosenblüten auf den Weg. Ihnen folgten Mißgeburten und Zwerge, die — teils mit bemalten Gesichtern, teils mit Masken — in bunten Narrenkleidern herumhüpften. Nach ihnen kamen die Musiker. Manche waren fast nur mit Blumen bekleidet, andere wie tänzelnde Satyre oder wunderliche Eunuchen herausgeputzt. In ihrer Mitte, umgeben von lachenden, tanzenden Kindern, trabte schwankend ein dicker, betrunkener Esel mit vergoldeten Hufen und einer Rosengirlande um den Hals; seine traurig herabhängenden Ohren ragten aus zwei Löchern in einem geflochtenen Hut mit breiter Krempe. Auf dem Rücken des Esels saß auf einer roten Decke der ebenfalls betrunkene Sulla und schwenkte einen goldenen Pokal, aus dem der Wein schwappte. Sulla trug eine mit Goldstickerei verzierte rote Tunika aus Tyros, und um den Hals und auf dem Kopf hatte er Blumen. Neben dem Esel ging eine schöne Frau, die in Wirklichkeit ein Mann war. Durch sein dichtes schwarzes Haar zogen sich silberne Fäden, und seine unweibliche Gestalt war in ein halb durchsichtiges safrangelbes Frauengewand gehüllt. Er trug einen großen goldenen Weinkrug, und jedes Mal, wenn Sulla ihm den Pokal hinhielt, schenkte er nach.
Da es auf dem Weg zum Tor bergab ging, kamen die Teilnehmer des Zuges in Schwung und waren nicht zu bremsen. Als der Torbogen unvermittelt vor ihnen auftauchte und Sulla schrie, sie sollten anhalten, kam der Zug so abrupt zum Stehen, daß alle schreiend und kreischend durcheinanderpurzelten. Die Frauen strampelten mit den Beinen in der Luft, so daß man ihre behaarte Scham sehen konnte. Der Esel taumelte und prallte gegen die Mauer eines Brunnens. Sulla schwankte, wurde aber von der Karikatur eines Krugträgers festgehalten und ließ sich schließlich in dessen starke Arme fallen. Nachdem der Diktator sich wieder aufgerichtet hatte, ging er auf die Gruppe der verblüfften Senatoren zu. Als er an einem Paar wild zappelnder, hübscher Frauenbeine vorbeikam, bückte er sich und schob, zum großen Vergnügen und zur sichtlichen Erregung der Frau, seine Hand zwischen ihre Beine.
Während sein Gefolge sich wieder aufrappelte und der Zug sich zur großen Freude der versammelten Menge unter Singen und Tanzen neu formierte, trat Sulla, auf seinen schönen Begleiter gestützt und den Weinpokal schwenkend, vor die Konsuln und begrüßte sie überschwenglich.
»Tacete!« schrie Sulla, und der Gesang und die Musik verstummten. Keiner sprach mehr ein Wort.
»Nun ist er endlich da!« rief er — an wen seine Worte gerichtet waren, wußte niemand genau: Vielleicht rief er sie zum Himmel hinauf. »Mein erster Tag als freier Mann!«
Sulla ließ den goldenen Pokal in der Luft kreisen, und sein rot bemalter Mund verzog sich zu einem strahlenden Lächeln. Sein Gesicht unter der albernen rötlichbraunen Perücke war weiß geschminkt, so daß die Narben nicht zu sehen waren. Die Wirkung war nicht so, wie er vielleicht gehofft hatte, da die roten Konturen seines Mundes in die vielen Falten unter der Nase und am Kinn zerflossen. Aber Sulla lächelte andauernd. Er war betrunken, und es kümmerte ihn nicht.
»Mehr als dreißig Jahre habe ich meine wahre Natur verleugnet«, sagte er zu Vatia und Appius Claudius, die ihn verdutzt ansahen. »Ich habe auf Liebe und Vergnügen verzichtet — zuerst meines Rufes und meines Ehrgeizes wegen und später, als alles seinen Gang nahm, Rom zuliebe. Aber das ist jetzt endgültig vorbei! Hiermit gebe ich euch Rom zurück — euch anmaßenden, schrulligen
Weitere Kostenlose Bücher