MoR 03 - Günstlinge der Götter
zuzuschreiben.
Darf ich höflich darum ersuchen, mir meine Befehlsgewalt noch zu belassen? Ich kann hier im italischen Gallien sehr von Nutzen sein, indem ich die Provinz für den Senat und das Volk von Rom unter Kontrolle behalte.
Unter Philippus’ geschickter Anleitung erklärte der Senat die Männer, die an Lepidus’ Aufstand beteiligt waren, für verflucht, verzichtete aber auf Repressalien gegen ihre Familien, weil ihnen der Schrecken der Proskription noch in den Gliedern saß. Die Witwe von Marcus Junius Brutus konnte aufatmen. Das Vermögen ihres sechsjährigen Sohnes war gerettet, obwohl es nun an ihr war, sicherzustellen, daß er politisch nicht geächtet wurde, wenn er erwachsen war.
Servilia erzählte dem Knaben in einer Weise vom Tod des Vaters, die ihm begreiflich machen sollte, daß er den Mörder seines Vaters, Gnaeus Pompeius Magnus, diesen picentischen Emporkömmling, niemals bewundern oder unterstützen durfte. Der Junge hörte zu und nickte ernst; er zeigte weder Verwirrung noch Trauer. —
Er war ein schmächtiger, zu klein geratener Junge mit spindeldürren Beinen und einem Schmollmund. Das schwarze Haar, die dunklen Augen und die dunkle Haut verliehen ihm eine jugendliche Anmut, welche seine völlig vernarrte Mama als beständige Schönheit betrachtete, und sein Hauslehrer lobte seine Lese-, Schreib- und Rechenkünste. Der Lehrer verschwieg allerdings, daß es dem kleinen Brutus an natürlicher Begabung und Phantasie mangelte. Natürlich hatte Servilia nicht die Absicht, Brutus mit anderen Jungen zur Schule zu schicken; er war zu sensibel, zu intelligent und zu schön — jemand konnte ihm ja etwas tun!
Nur drei Mitglieder ihrer Familie waren gekommen, um Servilia ihr Beleid auszudrücken, und zwei davon waren genaugenommen keine engen Verwandten.
Nachdem ihre Eltern, Großeltern und Tanten gestorben waren, hatte Onkel Mamercus, der einzige noch lebende Blutsverwandte, die sechs verwaisten Kinder seiner Geschwister in die Obhut einer aus der Familie Servilius Caepio stammenden Cousine und deren Mutter gegeben. Diese beiden Frauen, Gnaea und Porcia Liciniana, machten nun ihre Aufwartung — ein Höflichkeitsbesuch, auf den Servilia gut und gern hätte verzichten können. Gnaea war mit ihren knapp dreißig Jahren noch immer die mürrische und schweigsame Untergebene ihrer dominierenden Mutter. Porcia Liciniana beherrschte die Unterhaltung, so wie sie es immer getan hatte.
»Nun, Servilia, ich hätte nie gedacht, daß du so früh Witwe wirst, und es tut mir leid für dich. Ich fand es immer erstaunlich daß Sulla deinen Mann und dessen Vater nicht auf die Liste der Proskribierten setzte. Aber vermutlich war es deinetwegen. Es wäre wohl selbst für Sulla peinlich gewesen, den Schwiegervater der Nichte seines eigenen Schwiegersohns ächten zu lassen, obwohl er es eigentlich hätte tun sollen. Der alte Brutus klebte an Gaius Marius und später an Carbo wie eine Motte an einer Wachskerze. Offenbar hat die Heirat seines Sohnes mit dir die beiden gerettet. Dachtest du etwa, der Sohn hätte etwas dazugelernt? Aber nein! Er machte sich auf, um einem Dummkopf wie Lepidus zu dienen! Jeder vernünftige Mensch hätte sehen müssen, daß dies niemals gutgehen kann.«
»Ganz recht«, sagte Servilia tonlos.
»Mir tut es auch leid«, bemerkte Gnaea schroff.
Aber der Blick, den Servilia diesem armen Geschöpf zuwarf, verriet weder Zuneigung noch Mitleid. Auch wenn sie Gnaea nicht haßte wie die Mutter, so verachtete sie sie doch.
»Was wirst du jetzt tun?« fragte Porcia Liciniana.
»Sobald wie möglich wieder heiraten.«
»Wieder heiraten! Das schickt sich nicht für eine Frau deines Standes. Ich habe nicht wieder geheiratet, nachdem ich Witwe war.«
»Vermutlich hat dich keiner gefragt«, meinte Servilia.
Trotz ihrer Dickfelligkeit fühlte sich Porcia Liciniana durch diese spitze Bemerkung getroffen. Sie erhob sich majestätisch und sagte: »Ich habe meine Pflicht getan und mein Beileid ausgesprochen. Komm, Gnaea, es ist Zeit zu gehen. Wir dürfen Servilia bei ihrer Suche nach einem neuen Ehemann nicht aufhalten.«
»Ein Glück, daß ich euch los bin, ihr alten Jungfern!« sagte Servilia vor sich hin, nachdem die beiden gegangen waren.
Der dritte Besucher, der kurz danach eintraf, war ebenso unwillkommen wie Porcia Liciniana und Gnaea. Marcus Porcius Cato war der jüngste der sechs Waisen und Servilias Halbbruder; ihre gemeinsame Mutter war die Schwester von Drusus und Mamercus.
»Mein Bruder
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