MoR 03 - Günstlinge der Götter
andere Konsul, auf dem kurulischen Stuhl. Der Princeps Senatus Mamercus las Pompeius’ Brief den schweigenden Senatoren vor, eines der wenigen Privilegien, die Sulla dem Princeps Senatus nicht genommen hatte.
Lucius Licinius Lucullus, der erste der beiden neugewählten Konsuln, erhob sich, um auf den Brief zu antworten. Sein Kollege Marcus Aurelius Cotta, der mittlere Bruder des amtierenden Konsuls, wollte zu diesem plumpen, aber höchst beunruhigenden Schreiben nichts sagen, und sein Bruder auch nicht.
»Eingeschriebene Väter«, begann Lucullus, »ihr habt soeben den offenen Bericht eines Soldaten gehört, und nicht das verklausulierte Schreiben eines Politikers.«
»Den Bericht eines Soldaten? Ich würde sagen, der Autor ist als Schreiber genauso schlecht wie als Feldherr!« sagte Quintus Hortensius und hielt sich die Nase zu, als ströme der Brief einen üblen Geruch aus.
»Ach, halt doch die Luft an, Hortensius!« sagte Lucullus gereizt. »Was ich zu sagen habe, braucht nicht mit den schlauen Bemerkungen eines Pantoffelfeldherrn garniert zu werden. Wenn du von deinem wohlgedeckten Tisch aufspringen und deine Fische im Stich lassen willst, um Sertorius auszutricksen, dann trete ich dir nicht nur mein Rederecht ab, sondern streue dir auch noch Rosenblüten vor die fetten kleinen Plattfüße! Aber solange dein Schwert nicht so scharf ist wie deine Zunge, läßt du die Zunge lieber da, wo sie hingehört, nämlich in deinem allerliebsten Feinschmeckerschnäuzchen!«
Hortensius sank beleidigt in sich zusammen.
»Wir haben nicht das verklausulierte Schreiben eines Politikers gehört«, nahm Lucullus den Faden wieder auf. »Und der Brief schont uns Politiker nicht. Aber der Autor schont sich auch nicht. Das Schreiben wimmelt nicht von Ausreden, und die erwähnten Siege und Niederlagen stimmen völlig mit den Berichten überein, die uns Quintus Caecilius Metellus Pius regelmäßig geschickt hat.
Nun bin ich selbst nie in Spanien gewesen«, fuhr Lucullus fort. »Einige von euch kennen das Land, aber den meisten ergeht es wie mir, sie kennen es überhaupt nicht. In früheren Zeiten hat Hispania Ulterior immer in dem Ruf gestanden, ein gutes Geschäft für einen Statthalter zu sein — reich, wohlgeordnet, friedlich und doch wohlversehen mit Barbaren an zwei Grenzen, so daß die Kriege, die ein Statthalter sich zu führen bemüßigt fühlte, relativ leicht zu bewerkstelligen waren. Hispania Citerior hat nie diesen Ruf genossen — die Profite sind dort mager, und die einheimischen Völker befinden sich in ständiger Unruhe. Deshalb konnte der Statthalter von Hispania Citerior seinen Geldbeutel noch nie so richtig füllen und mußte sich ständig mit kriegerischen Bergstämmen herumschlagen. All das hat sich jedoch mit der Ankunft des Quintus Sertorius geändert. Er kannte Spanien bereits gut, weil er unter Gaius Marius und als Militärtribun unter Titus Didius dort gedient hat. Ihr erinnert euch vielleicht, daß er damals die Graskrone gewann, obwohl er noch sehr jung war. Nachdem dieser bemerkenswerte und überaus fähige Mann als marianischer Rebell nach Spanien geflohen war, um der Vergeltung zu entgehen, wurde Hispania Citerior im wahrsten Sinne des Wortes unregierbar; und Hispania Ulterior westlich des Guadalquivir wurde ebenfalls unregierbar. Wie Gnaeus Pompeius in seinem Brief schreibt, brauchte der hervorragende Statthalter von Hispania Ulterior fast drei Jahre, bis er eine Schlacht gegen Hirtuleius gewinnen konnte, also gegen einen der Anhänger des Sertorius, und nicht gegen Sertorius selbst. Pompeius wirft uns nicht einmal vor, daß wir es wegen der Kämpfe in Italien zwei Jahre lang versäumt haben, überhaupt einen Statthalter nach Hispania Citerior zu schicken. Aber durch dieses Versäumnis, eingeschriebene Väter, haben wir die Provinz Sertorius wie ein Geschenk serviert!«
Lucullus machte eine Pause und sah Philippus, der sich weit vorgelehnt hatte und breit lächelte, direkt in die Augen. Er haßte es, für ihn die Kastanien aus dem Feuer zu holen, aber es ging ihm um die Sache, und er hielt es für besser, wenn ein designierter Konsul das Notwendige sagte und nicht ein Mann, von dem inzwischen auch der dümmste Senator wußte, daß er eine Marionette des Pompeius war.
»Als ihr, eingeschriebene Väter, Gnaeus Pompeius Magnus sein außerordentliches Imperium verliehen habt, war ich Statthalter in der Provinz Africa, und ihr konntet keinen geeigneten Senator finden, um das Übel Sertorius mit der
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