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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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war. Dies war schlimmer als jeder Verrat. Nicht einmal, wenn man ihm die blutbefleckten Leichname seiner germanischen Frau und seines Sohnes zu Füßen gelegt hätte, dem er absichtlich keine römische Erziehung hatte angedeihen lassen, wäre seine Trauer größer gewesen als beim Tod seiner Mutter Maria. Er schloß sich viele Tage lang in seinem abgedunkelten Zimmer ein, wobei ihm nur das weiße Hirschkalb Diana und eine Unzahl von Weinkrügen Gesellschaft leisteten. All die Jahre war er nicht nach Hause gekommen. Und nun dieser Verlust! Und die entsetzlichen Schuldgefühle!
    Als er schließlich wieder auftauchte, war eine nie gekannte Härte über ihn gekommen. Früher war er die Höflichkeit selbst gewesen, nun aber mißtraute er selbst seinen Spaniern und beleidigte aus nichtigem Anlaß seine besten Freunde. Er konnte es körperlich spüren, wie ihm Pompeius mit seiner äußerst wirkungsvollen und kühl kalkulierten Zermürbungstaktik das Land entriß, das er so lange beherrscht hatte. Unter dem Einfluß des Weins war sein Verfolgungswahn ins Unermeßliche gewachsen, und schließlich konnte er ihn nicht mehr beherrschen. Als er erfuhr, daß einige der spanischen Häuptlinge heimlich ihre Kinder von seiner berühmten Schule in Osca weggeholt hatten, stürmte er mit seiner Leibgarde in die lichtdurchfluteten, friedlichen Kolonnaden der Schule und brachte viele der verbliebenen Kinder um. Dies war der Anfang vom Ende.
    Marcus Perperna Veiento hatte nie vergessen oder vergeben, daß ihm Sertorius die Kontrolle über seine Armee entzogen hatte, noch konnte er die angeborene Überlegenheit dieses Marianischen Renegaten aus den Sabiner Bergen verkraften. Jedes Mal, wenn sie eine Schlacht schlugen, hatte er von neuem erfahren müssen, daß Sertorius der weitaus begabtere Feldherr war und seine Soldaten mit einer Hingabe für ihn kämpften, von der Perperna nicht einmal träumen konnte. Doch er brachte es nicht fertig sich einzugestehen, daß er Sertorius auf keinem Gebiet übertreffen konnte, und so übertraf er ihn schließlich auf dem Gebiet des Verrats.
    In dem Augenblick, als er hörte, daß Metellus Pius eine Belohnung ausgesetzt hatte, war seine Entscheidung gefallen. Er hatte nicht mit dem Glück gerechnet, daß Sertorius ihm die Sache so leicht machen würde, indem er wild um sich schlug, aber er machte es sich gern zunutze.
    Perpema veranstaltete ein Fest — um das eintönige Winterleben in Osca etwas abwechslungsreicher zu gestalten, wie er locker versicherte —, und er lud seine römischen und italischen Kumpane dazu ein. Und natürlich Sertorius. Er wußte nicht, ob Sertorius kommen würde, bis er die massige Gestalt und das zweigeteilte Gesicht tatsächlich in der Tür erscheinen sah. Dann jedoch schoß er sofort auf den Ehrengast zu, geleitete ihn an den Ehrenplatz auf seiner eigenen Liege und sorgte dafür, daß seine Sklaven den Mann mit unverdünntem starkem Wein versorgten.
    Alle Anwesenden außer Sertorius waren in die Verschwörung eingeweiht, und die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Die Verschwörer versuchten ihre Furcht und ihr schlechtes Gewissen zu betäuben, indem sie unverdünnten Wein in sich hineinschütteten, bis Perperna befürchtete, keiner werde mehr nüchtern genug sein, um die Tat auszuführen. Das weiße Hirschkalb hatte seinen Herrn begleitet — natürlich, denn es war in letzter Zeit kaum mehr von seiner Seite gewichen. Es hatte sich auf der Liege zwischen Perperna und Sertorius niedergelassen, eine Beleidigung, die Perperna in eine ungeheure Wut versetzte, obwohl er selbst wahrhaft Schlimmeres plante. Also verließ er so schnell wie möglich die Liege im Zentrum des Raums und bedeutete dem halb spanischen, halb römischen Marcus Antonius, seinen Platz einzunehmen. Antonius war ein primitiver Bursche, den einer der großen Antonier mit einer Bäuerin gezeugt, jedoch nie als Sohn anerkannt, geschweige denn der sprichwörtlichen Großzügigkeit der Antonier hatte teilhaftig werden lassen.
    Das Gespräch wurde roher und die Scherze derber, wobei sich Antonius besonders hervortat. Sertorius, der Obszönitäten und schlüpfrige Witze verabscheute, nahm an dem Geplänkel nicht teil, sondern liebkoste Diana und trank, wobei seine heile Gesichtshälfte einen abwesenden, in sich gekehrten Ausdruck zeigte. Schließlich machte einer der Zecher eine besonders wüste Bemerkung, die jedermann in Begeisterung versetzte. Nur Sertorius ließ sich mit angewidertem Gesicht auf die Liege

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