MoR 03 - Günstlinge der Götter
solche Greuel verstehen, wenn sie von Barbaren begangen werden, denn ihre Götter und überlieferten Sitten verlangen von ihnen Dinge, die wir Römer schon vor Jahrhunderten geächtet haben. Der Gedanke, daß ein römischer Aristokrat — obendrein ein Antonius — Vergnügen daran findet, solche Grausamkeiten zu begehen... Nein, ich kann es kaum glauben!«
Doch Lucius Decumius schaute ihn nur mit seinen weisen Augen an. »So geht es nun einmal in der Welt zu, das weißt auch du. Vielleicht gemeinhin nicht ganz so schrecklich, aber das liegt oft nur daran, daß die meisten Leute Angst haben, gefaßt zu werden; denn das zieht Strafe nach sich. Betrachte den Fall einen Augenblick lang ganz unvoreingenommen. Dieser Antonius Hybrida ist ein römischer Aristokrat wie du. Die Gerichte schützen ihn, und sein eigener Stand ebenfalls. Wovor sollte er sich fürchten, wenn er seinen Neigungen frönt? Je höher ein Mensch steht, desto tiefer kann er fallen. Bisweilen aber triffst du auf einen Mann, der den Drang in sich hat, so zu sein, wie es ihm gerade gefällt, und der diesem Drang auch tatsächlich nachgibt. Wie Antonius Hybrida. Viele gibt es nicht von dieser Art. Aber einige gibt es immer, Caesar, einige schon.«
»Ja, du hast recht. Natürlich hast du recht.« Caesar senkte müde die Augenlider; nichts von seinen Gefühlen drang nach draußen. »Du meinst also, daß solche Menschen zur Rechenschaft gezogen werden müssen.«
»Sonst besteht die Gefahr, daß sie sich rasch vermehren. Für einen, der verschont wird, wagen sich zwei neue hervor.«
»Also muß ich sie zur Rechenschaft ziehen. Das wird nicht leicht sein.«
»Zweifellos.«
»Was weißt du noch über ihn, außer den dunklen Gerüchten, wonach er Sklaven verschwinden lasse?«
»Nicht viel, nur daß er verhaßt ist. Bei den Händlern ebenso wie bei den einfachen Leuten. Wenn ihm auf der Straße ein junges Mädchen begegnet, das ihm gefällt, dann kneift er es gleich so, daß es ihr weh tut und es laut zu schreien beginnt.«
»Wie paßt aber meine Cousine Julia da hinein?«
»Das mußt du deine Mutter fragen, Caesar, nicht mich.«
»So etwas kann ich doch nicht meine Mutter fragen, Lucius Decumius!«
Der alte Mann dachte nach und nickte. »Nein, allerdings kannst du das nicht.« Dann, nach einer Pause: »Diese Julia ist ein törichtes Weib — kein Vergleich mit den klugen Julias aus deiner Familie. Ihr Antonius ist ein ziemlicher Draufgänger, wenn du weißt, was ich meine, aber kein Menschenquäler. Nur gedankenlos. Der weiß auch nicht, wann er seinen Bälgern den Hintern zu versohlen hat.«
»Du meinst, die Jungen verwildern?«
»Wie herumstreunende junge Hunde.«
»Wie heißen sie doch gleich... Marcus, Gaius, Lucius. Ach, wenn ich mich doch mit Familiendingen besser auskennen würde! Ich höre leider immer nur mit halbem Ohr hin, wenn die Frauen, darüber reden. Meine Mutter könnte mir im Handumdrehen alles auseinandersetzen... Aber sie ist zu schlau, sie würde nicht eher lockerlassen, bis sie erfahren hat, weshalb ich mich plötzlich für Familienangelegenheiten interessiere, und dann würde sie alles tun, um mir diesen Prozeß auszureden. Dann hätten wir nur Streit miteinander. Es ist besser, sie erfährt erst dann von meiner Übernahme der Anklage, wenn die Sache schon ausgemacht ist.« Er seufzte betrübt. »Ich möchte noch mehr über die Jungen erfahren, um die sich Hybridas Bruder so wenig kümmert.«
Lucius Decumius blickte nach oben und schürzte die Lippen. »Ich sehe sie manchmal in der Subura, eigentlich sollten sie sich dort nicht ohne Diener oder Lehrer herumtreiben, aber sie machen es trotzdem. Sie stibitzen Eßwaren in den Läden, weniger aus Hunger als aus Übermut.«
»Wie alt sind sie?«
»Das weiß ich nicht so genau. Marcus könnte man aufgrund seiner Größe für einen Zwölfjährigen halten, er benimmt sich aber wie ein Fünfjähriger, also mag er sieben oder acht sein. Die beiden anderen sind kleiner.«
»Ja, die Antonii sind ein ungehobelter Menschenschlag. Ich nehme an, der Vater der Kinder wird nicht mit Geld um sich werfen.«
»Nein, steht immer knapp vor dem Desaster.«
»Dann tue ich den Jungen nichts Gutes, wenn ich die Anklage übernehme.«
»Gewiß nicht.«
»Aber ich muß sie übernehmen.«
»Ja, ich weiß.«
»Außerdem brauche ich weitere Zeugen. Am besten freie Bürger — auch Frauen oder Kinder —, die bereit sind, vor Gericht auszusagen. Hybrida soll ähnliche Scheußlichkeiten auch hier in
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