MoR 03 - Günstlinge der Götter
mehr in der Lage, ihr Brot zu verdienen oder Eltern, Ehemänner und Ehefrauen zu sein. Diese Unglücklichen zu ernähren und ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen, kostet ihre Mitbürger große Summen, die sie von Gaius Antonius Hybrida erstattet bekommen wollen. Es handelt sich also um ein Zivilverfahren, praetor peregrinus, bei dem es um Schadenersatz geht.«
»Dann lege kurz deine Beweise vor, advocatus, damit ich entscheiden kann, ob ich als Gerichtsvorsitzender die Klage annehmen muß oder nicht.«
»Ich werde deinem Gerichtshof und dem Richter, den du benennst, die Zeugenaussagen von acht Opfern oder Zeugen von Grausamkeiten vorlegen. Sechs sind Bürger von Thespiae, Eleusis und Orchomenos, die anderen beiden sind Bewohner Roms, ein Freigelassener und ein syrischer Staatsbürger.«
»Warum läßt du auch einen Römer aussagen, advocatus?«
»Als Beweis dafür, daß Gaius Antonius Hybrida immer noch seinen abscheulichen Neigungen nachgeht, praetor peregrinus.«
Zwei Stunden später nahm Varro die Klage vor seinem Gerichtshof an und bestätigte die sponsio der Griechen. An Gaius Antonius Hybrida erging eine gerichtliche Vorladung für den folgenden Morgen. Darauf ernannte Varro Lucullus den zuständigen Richter: Publius Cornelius Cethegus. Nach außen ließ sich Caesar nichts anmerken, aber das Herz hüpfte ihm vor Freude. Ausgezeichnet! Der Richter war so wohlhabend, daß er sein ganzes Ansehen aus dem Anspruch bezog, nicht bestechlich zu sein. So kultiviert und feinfühlig war dieser Mann, daß er über den Tod eines Lieblingsfisches oder Schoßhundes Tränen vergoß und das Gesicht hinter seiner Toga verbarg, wenn auf dem Marktplatz einem Huhn der Kopf abgehackt wurde. Vor allem aber war er ein Mann, der keine Vorliebe für die Antonii hegte. Würde sich Cethegus gehalten fühlen, einen Senatskollegen zu schützen, welches Verbrechens er auch angeklagt werde? Oder würden die Geschworenen bei dem Zivilverfahren so denken? Nein, Cethegus sicher nicht! Schließlich ging es nicht um die Aberkennung der römischen Staatsbürgerschaft oder um Verbannung. Dies war ein reines Zivilverfahren, bei dem es nur um Geld ging.
Kurz nach Caesars Erscheinen vor dem Prätor für Fremdenrecht breitete sich die Neuigkeit bereits in Windeseile auf dem Forum Romanum aus. Das Interesse an dem Prozeß wuchs noch, als Caesar von den Martern sprach, die Hybridas Opfer hatten erdulden müssen. Immer mehr Zuhörer versammelten sich um ihn und konnten kaum den für den folgenden Morgen angesetzten Prozeßbeginn abwarten. Sollten vor Gericht wirklich solche Ungeheuerlichkeiten zu sehen sein wie ein Mann, dem man die Haut abgezogen hatte, und eine Frau, deren Geschlechtsteile so verstümmelt worden waren, daß sie sich nicht mehr richtig erleichtern konnte?
Die Nachricht von dem Prozeß war auch bis in Caesars Haus gedrungen, wie er gleich bei seiner Heimkehr aus dem Gesichtsausdruck seiner Mutter erriet.
»Was muß ich da hören?« fragte sie ihn mit drohendem Unterton. »Du vertrittst die Anklage in einem Prozeß gegen Gaius Antonius Hybrida? Das darf doch nicht wahr sein! Zwischen euch bestehen Blutsbande.«
»Zwischen Hybrida und mir bestehen keine Blutsbande, Mutter.«
»Seine Neffen sind deine Vettern!«
»Sie sind die Kinder seines Bruders, die Verwandtschaft besteht also über ihre Mutter. Von Blutsverwandtschaft könnte nur dann die Rede sein, wenn sie Hybridas Söhne wären — hat er überhaupt welche? —, die wiederum meine Vettern wären.«
»Das kannst du einer Julia doch nicht antun!«
»Ich würde es bedauern, wenn unsere Familie ins Gerede käme, Mutter, aber keine Julia ist unmittelbar in den Prozeß verwickelt.«
»Das Haus Julius Caesar ist durch Heirat mit den Antonii verbunden. Das ist Grund genug!«
»Nein, das ist es nicht. Eher liegt Torheit seitens der Julii darin, ein Bündnis mit den Antonii einzugehen. Das sind nichtsnutzige Streuner! Eines sage ich dir, Mutter, ich würde einer Julia aus meiner eigenen Familie nie erlauben, einen Antonius zu heiraten.« Darauf zeigte Caesar seiner Mutter die Schulter.
»Überleg es dir bitte noch einmal, Caesar. Man wird dich dafür verurteilen.«
»Nein, mein Entschiuß steht fest.«
Nach dieser Auseinandersetzung wurde das Mittagessen in eisiger Stimmung eingenommen. Cinnilla, die sich zwischen zwei Starrköpfen wie ihrem Gatten und ihrer Schwiegermutter recht hilflos vorkam, schob Bauch- und Zahnweh und andere Beschwerden vor, an denen ihr kleiner
Weitere Kostenlose Bücher