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MoR 03 - Günstlinge der Götter

MoR 03 - Günstlinge der Götter

Titel: MoR 03 - Günstlinge der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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weiß jeder, daß an den Kalenden des September immer eine Senatssitzung stattfindet, aber der erste Konsul beruft sie ein, und er muß den rangniedrigeren Magistraten offiziell Mitteilung machen.«
    »Mir hat er Mitteilung gemacht«, sagte Lucius Cotta.
    »Er hat alle benachrichtigt, außer Crassus. Und Crassus hat das als persönliche Beleidigung aufgefaßt. Deshalb ist er nicht erschienen. Ich habe versucht, ihn umzustimmen, aber er hielt eisern an seinem Entschluß fest.«
    »So ein Schwachsinn!« rief Lucius Cotta und ließ sich angeekelt auf die Liege zurücksinken. »Die beiden werden es noch fertigbringen, ein Jahr zu ruinieren, welches das beste von tausend hätte sein können!«
    »Das werden sie nicht«, sagte Caesar. »Ich lasse es nicht zu. Aber wenn ich es schaffe, einen Waffenstillstand zwischen ihnen zu vermitteln, wird er nicht lange halten. Deshalb warte ich bis zum Ende des Jahres, Onkel, und ich bringe ein paar Cottae mit ins Spiel. Wenn das Jahr zu Ende geht, werden wir Crassus und Pompeius zu einer öffentlichen Versöhnung zwingen, die jedermann zu Tränen rührt. Wir kriegen ein exeunt omnes am letzten Tag des Jahres, bei dem aus voller Brust gesungen wird — selbst ein Plautus wäre stolz auf eine solche Aufführung gewesen.«
    »Weißt du, Caesar«, sagte Lucius Cotta nachdenklich und richtete sich auf, »als du noch ein Junge warst, hatte ich dich auf meiner Liste der Männer vermerkt, die man im Sinne von Archimedes als die großen Beweger bezeichnen kann — >gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde!< So sah ich dich, und deshalb bedauerte ich es sehr, als sie dich zum Jupiterpriester machten. Als du es geschafft hattest, diese Fessel abzustreifen, setzte ich dich wieder auf meine Liste. Aber die Dinge nehmen einen Verlauf, den ich nicht erwartet hätte. Du bewegst, aber du bewegst mit Hilfe eines komplizierten Systems von Hebeln und Zahnrädern! Für einen jungen Mann bist du auf allen Ebenen sehr bekannt, von der Subura bis zum Senat. Aber du agierst nicht wie ein großer Beweger, eher wie der Haushofmeister an einem orientalischen Hof. Du gibst dich damit zufrieden, die treibende Kraft hinter den Kulissen zu sein und läßt andere Männer den Ruhm kassieren. Ich finde das sehr seltsam für einen Mann wie dich!«
    Caesar hatte mit zusammengepreßten Lippen zugehört, und auf seinen elfenbeinfarbenen Wangen waren zwei rote Flecke erschienen. »Du hast mich nicht zu Unrecht auf deine Liste gesetzt, Onkel. Aber mein Amt als Jupiterpriester war vielleicht das Beste, was mir angesichts der Tatsache, daß ich es wieder losgeworden bin, je passiert ist. Es lehrte mich, meine Macht vorsichtig zu gebrauchen und mein Licht unter den Scheffel zu stellen, weil es ausgeblasen werden könnte, wenn ich es zu offen zeige. Es lehrte mich, daß die Zeit ein besserer Verbündeter ist als Geld oder einflußreiche Mentoren. Es lehrte mich die Geduld, die mir meine Mutter nie zugetraut hat — und es lehrte mich, daß nichts umsonst ist! Ich lerne immer noch, Onkel. Und ich hoffe, daß ich nie aufhören werde zu lernen! Lucullus hat mich gelehrt, daß ich lernen kann, indem ich Ideen entwickle und sie von anderen Personen verwirklichen lasse. Ich halte mich im Hintergrund und beobachte, was geschieht. Aber sei unbesorgt, Lucius Cotta! Die Zeit wird kommen, wo ich mich als der größte Beweger aller Zeiten erweisen werde. Ich werde Konsul sein, wenn meine Zeit gekommen ist, doch das wird nur der Anfang sein.«

    Der November war ein schlimmer Monat, obwohl das Wetter warm und freundlich war. Tante Julia begann unter einer ominösen Krankheit zu leiden, die kein Arzt diagnostizieren konnte, selbst Lucius Tuccius nicht. Das Symptom war ein allgemeiner Verfall; sie verlor an Gewicht, an Zuversicht, an Energie und an Interesse.
    »Ich glaube, sie ist müde, Caesar«, sagte Aurelia.
    »Aber doch bestimmt nicht lebensmüde«, sagte Caesar entsetzt, der eine Welt ohne Tante Julia nicht glaubte ertragen zu können.
    »Doch«, sagte Aurelia. »Das ist ihr größtes Problem.«
    »Sie hat doch so viel, wofür sie leben kann!«
    »Nein. Ihr Mann und ihr Sohn sind tot, also hat sie nichts mehr, wofür sie leben kann. Ich habe dir das schon einmal erklärt.« Ihre wunderschönen Augen füllten sich mit Tränen. »Ich kann ihr das wenigstens zum Teil nachfühlen; mein Ehemann ist auch tot. Wenn du auch sterben würdest, Caesar, wäre das mein Ende. Ich hätte nichts mehr, wofür ich leben

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