MoR 03 - Günstlinge der Götter
könnte.«
»Es wäre ein schwerer Schlag, aber nicht das Ende, Mater«, sagte Caesar. Er konnte nicht glauben, daß er ihr so viel bedeutete. »Du hast doch Enkelkinder, und du hast zwei Töchter.«
»Das ist wahr. Aber Julia hat keine.« Die Tränen waren verschwunden. »Der Lebensinhalt einer Frau sind ihre Männer, Caesar, nicht die Frauen, die sie geboren hat, oder die Kinder, die ihre Töchter gebären. Keine Frau ist wirklich zufrieden mit ihrem Los, denn wir alle sind zu einer undankbaren und schattenhaften Existenz verurteilt. Die Männer bewegen und kontrollieren diese Welt, nicht die Frauen. Deshalb lebt die intelligente Frau ihr Leben durch ihre Männer.«
Caesar spürte, daß sie einen schwachen Moment hatte, und nutzte ihn gnadenlos aus. »Mutter, was hat dir eigentlich Sulla bedeutet?«
Er erhielt tatsächlich eine Antwort. »Er war aufregend und interessant. Er achtete mich auf eine Weise, wie es dein Vater nie getan hat, obwohl ich nie den Wunsch verspürte, seine Frau zu sein oder seine Geliebte. Dein Vater war mein wirklicher Lebensgefährte. Sulla war mein Traum. Nicht aufgrund seiner Größe, sondern aufgrund seiner Agonie. Unter seinen Freunden gab es niemanden, der ihm gleich gewesen wäre. Nur der griechische Schauspieler, der ihm in den Ruhestand folgte, und ich, eine Frau.« Der schwache Moment war vorüber, und sie warf Caesar einen energischen Blick zu. »Genug davon! Du darfst mich jetzt zu Julia begleiten.«
Die Tante war nur noch ein Schatten ihrer selbst, doch sie blühte ein wenig auf, als sie Caesar erblickte. Er verstand jetzt ein bißchen besser, was seine Mutter ihm erklärt hatte: Der Lebensinhalt einer intelligenten Frau sind ihre Männer. Ist das gerecht? fragte er sich. Sollten die Frauen nicht mehr vom Leben haben? Aber dann stellte er sich ein Forum Romanum und eine Curia Hostilia vor, die zur Hälfte mit Frauen besetzt waren, und schauderte. Frauen waren zum Vergnügen da, um dem Mann in seinem Heim Gesellschaft zu leisten, um ihm zu dienen und sich nützlich zu machen. Pech für sie, wenn sie mehr wollten!
»Erzähl mir eine Geschichte vom Forum«, sagte Julia und ergriff Caesars Hand.
Ihre eigene Hand glich mehr und mehr einer Klaue, und seine empfindliche Nase, die so sehr an das exquisite Parfüm seiner Tante gewohnt war, nahm in den letzten Tagen einen säuerlichen Geruch wahr, den das Parfüm nicht mehr ganz überdecken konnte. Nicht der Geruch des Alters. Das Wort Tod kam ihm in den Sinn, aber er schob es beiseite und setzte ein fröhliches Lächeln auf.
»Ich habe wirklich eine Geschichte vom Forum zu erzählen«, sagte er im Plauderton, »eine Geschichte über eine Basilika, besser gesagt.«
»Eine Basilika? Welche?«
»Die erste Basilika überhaupt, die Basilica Porcia, die vor über hundert Jahren von Cato dem Zensor erbaut wurde. Wie du weißt, haben die Volkstribunen ihre Sitzungen schon immer in einem Saal im Erdgeschoß abgehalten. Und vielleicht weil sie ihre frühere Macht zurückerhalten haben, schien ihnen das Schicksal dieses Jahr gnädig zu sein. Genau in der Mitte des Sitzungssaals befindet sich nämlich eine riesige Säule, die es fast unmöglich macht, eine Sitzung abzuhalten, an der außer den zehn Volkstribunen noch jemand teilnimmt. Also hat Plautius, der Vorsitzende des Tribunenkollegiums, beschlossen, die Säule loszuwerden. Er ging zu unserem berühmtesten Architekturbüro und fragte, ob es eine Möglichkeit gebe, sie abzureißen. Und als die Sache vermessen und berechnet worden war, erhielt er folgende Antwort: Ja, die Säule könne entfernt werden, ohne daß die Stabilität des Gebäudes gefährdet würde.«
Julia lag auf ihrer Liege und hatte ihren Körper an Caesar geschmiegt, der auf dem Rand der Liege saß. Ihre großen grauen Augen lagen tief in den entzündeten Höhlen, aber sie waren fest auf sein Gesicht gerichtet. Sie lächelte und schien wirklich interessiert. »Ich habe keine Ahnung, worauf die Geschichte hinausläuft«, sagte sie und drückte seine Hand.
»Die Volkstribunen wußten es auch nicht! Die Baumeister holten ihre Gerüste und stützten das Gebäude sorgfältig ab, die Architekten machten eine letzte genaue Untersuchung, und alles war für den Abriß der Säule bereit. Da kam ein junger Mann von dreiundzwanzig Jahren hereinspaziert — angeblich wird er im Dezember vierundzwanzig — und verkündete, daß er die Entfernung der Säule verbiete!
>Wer bist denn du?< fragte Plautius.
>Ich bin Marcus Porcius
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