MoR 04 - Caesars Frauen
mithalten, wenn es um rasches, leises Lesen ging — aber es fehlte nicht viel; in wesentlich kürzerer Zeit, als Crassus benötigt hatte, hatte er den Brief gelesen und blickte auf.
»Beim Jupiter, Marcus Crassus, wie bist du daran gekommen?«
Crassus ließ sich schwer in einen Sessel fallen, während Metellus Scipio und Marcellus zusammen auf einer Liege Platz nahmen. Als ein Diener ihm Wein anbot, winkte Crassus ab.
»Wir hatten ein spätes Essen bei mir zu Hause«, sagte er, »und ich hab’s wohl ein wenig übertrieben. Marcus Marcellus und Quintus Scipio haben darüber nachgedacht, wie sie ihr Familienvermögen vergrößern können, ohne Senatsobliegenheiten zu verletzen, deshalb haben sie mich um Rat gefragt.«
»Stimmt«, fügte Marcellus vorsichtig hinzu; er war sich nicht sicher, ob Crassus’ unseriöse Geschäftspraktiken bei Cicero gut aufgehoben waren.
Aber Cicero hatte andere Sorgen als den schmalen Grat zwischen rechtmäßigen und illegalen Praktiken, also sagte er ungeduldig: »Ja, ja!« Und zu Crassus: »Erzähl weiter!«
»Vor einer Stunde hat jemand gegen die Tür gehämmert, aber als mein Verwalter aufgemacht hat, war niemand zu sehen. Zuerst hat er die Briefe gar nicht bemerkt. Sie lagen auf der obersten Stufe. Erst als der Stapel umgekippt ist, fielen sie ihm auf. Der eine, den ich geöffnet habe, war an mich persönlich adressiert, wie du sehen kannst. Ich habe ihn eigentlich eher aus Neugier geöffnet, nicht weil ich eine Vorahnung hatte — wer läßt einem schon auf so ungewöhnliche Weise Nachrichten zukommen, und zu so später Stunde?« Crassus blickte grimmig. »Nachdem ich ihn gelesen und Marcus und Quintus gezeigt hatte, haben wir beschlossen, sämtliche Briefe sofort zu dir zu bringen. Schließlich hast du den ganzen Wirbel entfacht.«
Cicero nahm die fünf ungeöffneten Päckchen, setzte sich und stützte einen Ellbogen auf den Tisch aus Zitrusholz mit einer Pfauenmustermaserung, für den er eine halbe Million Sesterzen geopfert hatte, selbst auf das Risiko hin, daß ein Kratzer seinen Wert empfindlich mindern könnte. Einen nach dem anderen hielt er die Briefe gegen das Licht und untersuchte die billigen Wachssiegel.
»Ein Wolfssiegel aus gewöhnlichem roten Wachs«, sagte er und seufzte. »Kann man in jedem Land kaufen.« Er steckte die Finger unter die Papierkante des letzten Briefes, zog einmal kräftig und brach das kleine, runde Wappenbild aus Wachs in zwei Hälften. Crassus und die beiden anderen sahen ihm ungeduldig zu. »Ich werde ihn vorlesen«, sagte er und klappte den Briefbogen auf. »Er trägt keine Unterschrift, aber er ist an Gaius Manlius adressiert.«
Fünf Tage vor den Kalenden des November wirst Du Deine Truppen sammeln und mit dem Einmarsch nach Faesulae die Revolution beginnen. Du hast behauptet, die Stadt würde mit fliegenden Fahnen zu Dir überlaufen. Wir vertrauen darauf. Egal, was Du sonst vorhast, als erstes mußt Du das Waffenarsenal einnehmen. Im Morgengrauen desselben Tages werden auch Deine vier Kollegen losmarschieren: Publius Furius gegen Volaterrae, Minucius gegen Arretium, Publicius gegen Saturnia, Aulus Fulvius gegen Clusium. Wir erwarten, daß alle diese Städte bei Sonnenuntergang in unserer Hand sind und unsere Armee um einiges größer ist. Vor allem aber müßte sie dank der Arsenale besser ausgerüstet sein.
Am vierten Tag vor den Kalenden werden wir in Rom zuschlagen. Dazu brauchen wir keine Armee. Die Heimlichkeit leistet uns bessere Dienste. Wir töten die beiden Konsuln und alle acht Prätoren. Was mit den gewählten Konsuln und Prätoren geschieht, hängt davon ab, wie sie sich verhalten werden, aber gewisse Kräfte im Bereich der Wirtschaft müssen sterben: Marcus Crassus, Servilius Caepio Brutus, Titus Atticus. Durch ihre Vermögen wird unsere Unternehmung die nötigen Geldmittel erhalten.
Wir hätten lieber noch ein wenig gewartet, um unsere Streitkräfte besser zu rüsten, aber wir dürfen nicht warten, bis Pompeius Magnus nahe genug ist, um gegen uns vorzugehen. Wir sind noch nicht bereit für ihn. Er kommt auch noch dran, aber alles der Reihe nach. Mögen die Götter mit Dir sein.
Cicero legte den Brief zur Seite und starrte Crassus entgeistert an. »Beim Jupiter, Marcus Crassus!« rief er, und seine Hände zitterten. »In neun Tagen sollen wir umgebracht werden!«
Die beiden anderen Männer sahen im flackernden Licht der Lampen aschfahl aus, ihre Blicke sprangen zwischen Crassus und Cicero hin und her. Ihr Verstand
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