MoR 04 - Caesars Frauen
und Milizionäre zwischen ihnen und der gaffenden Menge aufgebaut, so daß es fast nichts mehr zu sehen gab.
Als Cicero die wenigen Stufen zur Tür hinaufstieg, schlug ihm ein unerträglicher Gestank entgegen; es war ein betäubender Geruch nach Verwesung, scharf und ekelerregend. Niemand machte sich jemals die Mühe, die Hinrichtungskammer zu reinigen. Der Delinquent ging hinein, näherte sich der Grube in der Mitte des Raumes und stieg hinab. In ein paar Meter Tiefe warteten die Henker, um ihm das Genick zu brechen. Die Leiche blieb einfach liegen und verrottete. Wenn die Kammer das nächstemal gebraucht wurde, schaufelten die Henker die verwesenden Überreste in eine offene Zuleitung, die in die Kanalisation mündete.
Mit aschfahlem Gesicht und Übelkeit im Magen stand Cicero dabei, als die fünf Männer der Reihe nach hineingeführt wurden, Lentulus Sura als erster, Caeparius als letzter. Keiner von ihnen hatte einen Blick für ihn, und er war froh darüber. Das Entsetzen lähmte sie.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis einer der Henker aus der Tür trat und ihm zunickte. Jetzt darf ich gehen, dachte Cicero und folgte den Liktoren und den Milizionären hinüber zur Rostra.
Von dort oben blickte er hinunter auf die Menschenmenge, die sich bis zu den Grenzen seiner Sichtweite angesammelt hatte, und befeuchtete sich die Lippen. Er befand sich innerhalb des pomerium, der geheiligten Grenze Roms, deshalb durfte er das Wort »tot« in einer öffentlichen Bekanntmachung nicht verwenden.
Aber was konnte er statt dessen sagen? Nach kurzer Überlegung warf er beide Hände in die Höhe und rief: »Vixunt! Sie haben gelebt!«
Kein Jubel. Keine Buhrufe. Cicero stieg von der Rostra und machte sich auf den Weg zum Palatin, während die Menge sich in Richtung Esquilinus, Subura und Viminalis zerstreute. Vor dem kleinen, runden Vesta-Tempel begegnete ihm eine größere Gruppe von Rittern der Achtzehn, angeführt von Atticus. Die Männer hatten ihre Fackeln bereits entzündet, denn die Dunkelheit brach herein, und sie feierten ihn als den Retter des Vaterlandes, als pater patriae, als einen mythischen Helden. Welch ein Balsam für seine Seele! Die Verschwörung des Lucius Sergius Catilina war zerschlagen; er allein hatte sie aufgedeckt und im Keim erstickt.
Teil V
5. Dezember 63 v. Chr. bis März 61 v. Chr.
Mit einer maßlosen Wut im Bauch stürmte Caesar nach Hause zum Domus Publica; Titus Labienus mußte sich anstrengen, um mit ihm Schritt halten zu können. Mit einer gebieterischen Kopfbewegung hatte Caesar den Volkstribunen aufgefordert, ihn zu begleiten. Labienus kannte den Grund nicht; er war mitgegangen, weil Pompeius ihn während seiner Abwesenheit Caesars Aufsicht unterstellt hatte.
Eine weitere kurze Kopfbewegung forderte Labienus auf, sich eine Erfrischung zu nehmen. Er schenkte sich Wein in einen Becher, setzte sich und sah Caesar dabei zu, wie er in seinem Arbeitszimmer auf und ab ging.
Schließlich stieß Caesar mit gepreßter Stimme hervor: »Ich werde dafür sorgen, daß Cicero sich wünscht, niemals auf die Welt gekommen zu sein! Wie kann der Kerl sich erdreisten, römisches Recht zu interpretieren? Und wie kamen wir eigentlich dazu, einen Dichter zum Ersten Konsul zu machen?«
»Wie, du hast nicht für ihn gestimmt?«
»Weder für ihn noch für Hybrida.«
»Du hast also Catilina gewählt?« fragte Labienus verwundert.
»Und Silanus. Ehrlich gesagt gab es keinen, den ich wirklich wählen wollte, aber man darf sich nicht vor der Wahl drücken.« Rote Flecken glühten noch auf Caesars Wangen, und die Augen, dachte Titus Labienus, waren wie zu Eis erstarrt und schienen doch zu brennen.
»Nun setz dich schon! Ich weiß, du rührst keinen Wein an, aber du solltest heute eine Ausnahme machen. Es wird dir guttun.«
»Wein tut niemals gut«, sagte Caesar mit Nachdruck, aber er setzte sich wenigstens. »Wenn ich mich recht entsinne, Titus, dann ist dein Onkel Quintus Labienus vor siebenunddreißig Jahren in der Curia Hostilia im Hagel der Dachziegel umgekommen.«
»Ja, zusammen mit Saturnius, Lucius Equitius und den anderen.«
»Und wie denkst du darüber?«
»Daß es unverantwortlich und verfassungswidrig war. Wie sollte ich sonst darüber denken? Es waren Bürger Roms, und sie haben keinen Prozeß bekommen.«
»Richtig. Aber sie sind nicht offiziell hingerichtet worden. Sie wurden ermordet, um einen Prozeß zu vermeiden, von dem weder Marius noch Scaurus wußten, ob er nicht weit schlimmere Gewalt
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