MoR 04 - Caesars Frauen
war das einzige Kind und vom Glück nicht begünstigt. Als junger Bursche bekam er ein Leiden, das man die Sommerkrankheit nannte; die Krankheit schwächte die Wadenmuskulatur in beiden Beinen so sehr, daß er die Oberschenkel zusammenpressen und die Unterschenkel seitlich hinausstrecken mußte, um überhaupt gehen zu können. Dabei kam ein Gang heraus, der stark an das Watscheln einer Ente erinnerte. Dann bekam er plötzlich Schwellungen am Hals, die sich manchmal entzündeten, aufbrachen und schreckliche Narben hinterließen. Der Mann war kein schöner Anblick. Doch was seiner physischen Erscheinung verweigert worden war, das hatten seine Seele und sein Verstand im Übermaß bekommen. Er war ein angenehmer Mensch, denn er war humorvoll, hatte stets gute Laune und geriet nicht leicht aus der Fassung. Und sein Verstand war so wach, ihn früh genug erkennen zu lassen, daß seine beste Verteidigung darin bestand, die Aufmerksamkeit auf seine unschönen Gebrechen zu lenken. Und so machte er sich stets über sich selbst lustig und gestattete es auch den anderen.
Da Vatinius Senior der relativ junge Vater eines erwachsenen Sohnes war, wurde Publius Vatinius zu Hause eigentlich nicht recht benötigt, und auf den Rundgängen über die Besitzungen konnte er seinen Vater ohnehin nicht begleiten. Vatinius Senior konzentrierte sich darauf, entferntere Verwandte zu seinen Nachfolgern heranzuziehen, und schickte seinen Sohn nach Rom, damit er dort einen feinen Herrn aus sich mache.
Die gewaltigen Umwälzungen und Turbulenzen, die der Italische Krieg mit sich brachte, hatten eine Situation geschaffen, in der diese neureichen Familien — und es gab viele von ihnen — ohne Schutzherren waren. Jeder geschäftstüchtige Senator, jeder Ritter der Achtzehn war auf der Suche nach Klienten, und doch waren viele potentielle Klienten unbemerkt geblieben. So auch die Familie Vatinius. Aber nur so lange, bis Publius Vatinius, der mit fünfundzwanzig Jahren schon ein bißchen alt war, schließlich in Rom eintraf. Nachdem er sich eingewöhnt und eine Wohnung auf dem Palatin bezogen hatte, sah er sich nach einem Schutzherrn um. Daß er sich für Caesar entschied, sagte viel über seine Neigungen und seine Intelligenz. Lucius Caesar war eigentlich der Älteste des Zweiges, aber Vatinius ging gleich zu Gaius, denn sein Gespür sagte ihm, daß Gaius einmal der Mann mit wirklichem Einfluß sein würde.
Natürlich hatte Caesar sogleich eine Zuneigung zu ihm gefaßt und ihn als wertvollen Klienten aufgenommen. Einen besseren Start für eine Karriere auf dem Forum hätte Vatinius sich nicht wünschen können. Als nächstes mußte eine Braut für Publius Vatinius gefunden werden, denn er sagte von sich selbst: »Die Beine wollen nicht so richtig, aber das, was dazwischen hängt, funktioniert tadellos.«
Caesars Wahl fiel auf das älteste Kind seiner Base Julia Antonia, ihre einzige Tochter Antonia Cretica. Sie hatte zwar keine Mitgift, aber ihre Herkunft garantierte ihrem Gatten öffentliches Ansehen und Zugang zu den Kreisen der berühmten Familien. Leider war sie kein sehr anziehendes weibliches Wesen, und übermäßig intelligent war sie auch nicht; die Mutter war ganz von ihren drei Söhnen in Anspruch genommen worden und hatte die einzige Tochter vernachlässigt, und vielleicht war sie auch wegen Antonia Creticas Größe und Gestalt beschämt. Das Mädchen war einsfünfundachtzig groß und hatte fast so breite Schultern wie ihre Brüder; die Natur hatte ihr einen Oberkörper wie ein Faß verliehen, aber leider vergessen, ihr den entsprechenden Busen mitzugeben. Das Kinn und die Nasenspitze strebten nach Vereinigung, und sie hatte einen Nacken wie ein Gladiator.
Konnte das den verkrüppelten und kleingewachsenen Publius Vatinius abschrecken? Keine Spur! Mit großer Freude hatte er Antonia Cretica in dem Jahr geehelicht, in dem Caesar das Amt des Ädils bekleidete, und schon bald hatte er mit ihr einen Sohn und eine Tochter gezeugt. Er liebte sie sehr, seine grobschlächtige, häßliche Braut, und mit unerschütterlichem Gleichmut ertrug er die Witze, die auf dem Forum über dieses bizarre Pärchen gerissen wurden.
»Ihr seid doch bloß neidisch«, pflegte er zu sagen, und dann lachte er. »Wer von euch kann denn schon abends in dem Wissen ins Bett kriechen, daß er in der Nacht den höchsten Berg Italiens erobern darf?«
Im Jahre von Ciceros Konsulat wurde er zum Quästor gewählt und trat in den Senat ein. Von den zwanzig gewählten
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