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MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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Brutus nicht dumm, auch wenn sein Name, Brutus, genau das bedeutete — dumm. Auch jener Lucius Junius Brutus, der Gründer der Republik, war das nicht gewesen; er hatte die Tyrannei des letzten römischen Königs nur überlebt, indem er vortäuschte, dumm zu sein. Das war ein großer Unterschied, und keiner wußte dies besser als Brutus.
    Für seine Frau Claudia empfand er nichts, nicht einmal Abneigung. Sie war ein nettes Mädchen, ruhig und anspruchslos, und hatte es irgendwie geschafft, sich im Haus ihrer Schwiegermutter, das diese so kalt und unbarmherzig führte wie Lucullus seine Armee, eine Nische zu schaffen. Glücklicherweise war das Haus groß genug, so daß Brutus’ Frau ein eigenes Wohnzimmer hatte, wo sie sich mit ihrem Webstuhl, ihrem Spinnrocken, ihren Farben und ihrer Puppensammlung, die sie hütete wie einen Schatz, eingerichtet hatte. Daß sie gut spinnen konnte und so gut webte wie eine professionelle Weberin, machte ihr Servilia gewogen, und sie durfte sogar feine Stoffe für die Kleider ihrer Schwiegermutter weben. Außerdem bemalte sie Schüsseln und Teller mit Blumen, Vögeln und Schmetterlingen und schickte sie zum Glasieren ins Velabrum. So etwas konnte man gut verschenken, und das war für eine Claudia Pulcher, die viele Tanten, Onkel, Vettern, Basen, Nichten und Neffen, aber nur wenig eigenes Geld hatte, sehr wichtig.
    Leider war sie genauso schüchtern wie Brutus. Bei seiner Rückkehr aus Kilikien, die fast die Rückkehr eines Fremden war, denn Brutus war schon wenige Wochen nach der Hochzeit weggegangen, vermochte sie nicht, seine Aufmerksamkeit von seiner Mutter weg auf sich zu lenken. Er hatte sie nicht in ihrer Schlafkammer besucht, in der das Kopfkissen jeden Morgen tränennaß war, und wenn er zum Essen erschien, gab ihr Servilia keine Gelegenheit, etwas zu sagen — hätte sie etwas zu sagen gewußt.
    Servilia beanspruchte Brutus’ ganze Zeit und Aufmerksamkeit, sobald er das Haus betrat, das im Grunde sein Eigentum war, obwohl er es nicht als solches betrachtete.
    Trotz ihrer zweiundfünfzig Jahre hatte sich Servilia kaum verändert. Ihre Figur war üppig, aber wohlproportioniert, ihre Taille kaum breiter als vor der Geburt ihrer vier Kinder, und ihre Haare waren immer noch lang, dicht und schwarz. Zwei Falten hatten sich zu beiden Seiten der Nase und an den Winkeln ihres kleinen, verschlossenen Mundes in ihr Gesicht gegraben, ihre Stirn dagegen war immer noch glatt und die Haut unter dem Kinn beneidenswert straff. Caesar sollte sie, das hatte sie sich vorgenommen, bei seiner Rückkehr nach Rom unverändert vorfinden.
    Caesar bestimmte noch immer ihr Leben, auch wenn sie das vor sich selbst nicht zugab. Manchmal verzehrte sie sich vor unstillbarer Sehnsucht nach ihm, dann wieder haßte sie ihn, vor allem, wenn sie ihm einen ihrer seltenen Briefe schrieb oder auf einer Gesellschaft seinen Namen hörte, was zu jener Zeit immer häufiger vorkam, denn Caesar war berühmt, er war ein Held, ein Mann, der tun und lassen konnte, was ihm beliebte, ungehindert von den Gepflogenheiten einer Gesellschaft, die Servilia genauso erdrückend fand wie Clodia und Clodilla, ohne daß sie sie jedoch wie die beiden Schwestern täglich verletzt hätte. Während Clodia am Tiberufer gegenüber dem Trigarium saß, wo die jungen Männer schwammen, und ein Ruderboot mit einer Einladung an einen schönen, nackten Burschen ausschickte, saß Servilia über staubigen Büchern und eigens für sie angefertigten Protokollen von Senatssitzungen, wertete sie aus, rechnete, plante und sehnte sich danach, daß endlich etwas passierte.
    Auf ihren Sohn hoffte sie dabei nicht. Brutus war unmöglich! Häßlich und klein wie eh und je, und immer noch von ihrem schrecklichen Halbbruder Cato angetan. Er war sogar noch schlimmer geworden. Mit seinen dreißig Jahren entwickelte er eine Umständlichkeit, die Servilia quälend an Marcus Tullius Cicero erinnerte, diesen Emporkömmling aus Arpinum. Brutus watschelte zwar nicht, aber er schritt auch nicht aus, und wer in einer Toga etwas hermachen wollte, mußte mit zurückgenommenen Schultern schreiten. Brutus machte kleine, trippelnde Schritte. Außerdem war er ein Pedant und immer ein wenig abwesend. Servilia sah dann plötzlich den großen, blonden, schönen und Kraft ausstrahlenden Gaius Julius Caesar vor ihrem inneren Auge, und dann schimpfte sie beim Abendessen mit Brutus und trieb ihn in die tröstenden Arme Catos.
    Brutus war also nicht in ein harmonisches Haus

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