MoR 05 - Rubikon
langsam, »aber es heißt, Caesar sei wie er.«
»Richtig«, sagte Cato, »wie Sulla. Immer läuft es auf den alten Adel hinaus, deshalb habe ich Marius damals nicht gefürchtet und fürchte heute Pompeius nicht. Patrizier zu sein heißt, etwas Besseres zu sein. Dagegen können wir nur tun, was mein Großvater Caepio gegen Scipio Africanus und Scipio Asiagenus getan hat: sie vernichten!«
»Wie ich von Bibulus höre, werben die boni um Pompeius.«
»Ach so, ja, ich billige das. Wenn du den König der Räuber fangen willst, mußt du ihn mit einem Prinzen locken. Wir werden Pompeius dazu benutzen, Caesar niederzuringen.«
»Ich habe auch gehört, daß Porcia Bibulus heiraten soll.«
»Stimmt.«
»Kann ich sie sehen?«
Cato nickte, er war sowieso schon in Gedanken woanders. Seine Hand griff nach dem Weinkrug auf seinem Schreibtisch. »Sie ist in ihrem Zimmer.«
Brutus stand auf und verließ das Arbeitszimmer durch die Tür, die auf den kleinen, schmucklosen Garten hinausging. Der Garten war von einfachen dorischen Säulen umgeben, hatte weder Wasserbecken noch Springbrunnen, und die Wände waren nicht mit Fresken oder sonstigen Gemälden geschmückt. Auf der einen Seite lagen die Zimmer von Cato, Athenodorus Cordylion und Statyllus, auf der anderen die Zimmer Porcias und ihres jüngeren Bruders Marcus Junior. Dazwischen lagen ein Bad und eine Latrine, dahinter die Küche und die Räume der Dienerschaft.
Zuletzt hatte Brutus seine Cousine Porcia vor sechs Jahren gesehen, bevor er mit Cato nach Zypern gereist war. Cato legte keinen Wert darauf, daß sie mit seinen Besuchern Umgang hatte. Soweit Brutus sich erinnerte, war sie ein dünnes, schlaksiges Mädchen, aber warum sollte er sich zu erinnern versuchen? Er würde sie ja gleich sehen.
Das Zimmer war klein und ein einziges Durcheinander. Überall lagen ohne erkennbare Ordnung Schriftrollen, Rollenfutterale und Papiere durcheinander. Porcia saß an einem Tisch, den Kopf über ein aufgerolltes Buch gebeugt, und las leise murmelnd.
»Porcia?«
Sie fuhr erschrocken hoch, und ein Dutzend Papierblätter flatterten auf den Terrazzoboden; das Tintenfaß fiel um, und vier Rollen verschwanden in dem Spalt hinter dem Tisch. Das Zimmer war nüchtern wie die Behausung eines Stoikers, außerdem eiskalt und vollkommen unweiblich. Ein Webstuhl hatte hier keinen Platz!
Porcia selbst wirkte nüchtern und nicht besonders weiblich, obwohl man ihr Kälte nicht vorwerfen konnte. Wie groß sie war, dachte Brutus und reckte unwillkürlich den Hals. Sie mußte so groß sein wie Caesar. Ein Schopf grellroter, krauser Haare, eine blasse Haut ohne Sommersprossen, leuchtende graue Augen und eine Nase, die sich alle Mühe machte, die ihres Vaters auszustechen.
»Brutus! Liebster Brutus!« rief sie und umarmte ihn so fest, daß ihm die Luft wegblieb und er fast vom Boden abhob. »Papa sagt, man tut recht, wenn man die liebt, die gut sind und zur Familie gehören. Dich darf ich also lieben! Wie schön, dich zu sehen, Brutus! Komm rein!«
Sie ließ ihn wieder los, und er sah zu, wie sie ungeschickt einen Stapel Schriftrollen und Futterale von einem alten Stuhl räumte und nach einem Staubwedel suchte, um die Sitzfläche abzustauben, damit seine Toga nachher nicht voller grauer Schlieren war. Ohne daß er es wollte, stahl sich ein Lächeln auf seinen Mund. Sie war einfach ein Elefant! Dabei war sie keineswegs dick, nicht einmal rundlich. Sie hatte eine flache Brust, breite Schultern und schmale Hüften, und sie trug ein scheußliches Kleid, einen Sack aus braunem Leinen, wie Servilia gesagt hätte.
Dabei war Porcia überhaupt nicht nüchtern, stellte er fest, als sie beide schließlich auf einem Stuhl saßen, und sie wirkte auch trotz ihres Körperbaus nicht männlich. Sie sprühte vor Leben, was die meisten Männer wahrscheinlich anzog, wenn sie den ersten Schock überwunden hatten; außerdem besaß sie wunderschöne Haare, genauso wunderschöne Augen und einen hübschen Mund, der zum Küssen einlud.
Sie seufzte, schlug sich mit den Händen auf die Knie — die weit auseinander standen, was ihr aber gar nicht bewußt war —, und strahlte ihn vergnügt an. »Ach Brutus! Du hast dich kein bißchen verändert.«
Er sah sie etwas gequält an, doch sie bemerkte es nicht. Für sie war er ihr Vetter, und nur das zählte. Sie hatte eine ungewöhnliche Kindheit gehabt; mit sechs hatte sie die Mutter verloren und dann, abgesehen von den zwei Jahren mit Marcia, die ihre Stieftochter nicht
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