Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

MoR 05 - Rubikon

Titel: MoR 05 - Rubikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
Vom Netzwerk:
zurückgekehrt, und nach drei, vier Tagen verbrachte er dort immer weniger Zeit.
    Es schmerzte ihn zwar, teures Geld für eine Leibwache ausgeben zu müssen, doch ein kurzer Blick auf das Forum und die angrenzenden Straßen und ein anschließendes Gespräch mit Bibulus überzeugten ihn davon, daß dies absolut notwendig war. Sogar sein Onkel Cato, der so furchtlos war, daß er sich auf dem Forum über die Jahre wiederholt denselben Arm gebrochen hatte, hatte eine Leibwache angestellt.
    »Gute Zeiten für ehemalige Gladiatoren!« schimpfte Cato. »Sie können verlangen, was sie wollen. Ein guter Mann will für neun Tage fünfhundert Sesterze. Und ich darf nach der Pfeife eines Dutzend minderbemittelter Soldaten tanzen, die mir die Haare vom Kopf fressen und mir vorschreiben, wann ich auf das Forum gehen darf und wann nicht!«
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Brutus stirnrunzelnd. »Das Kriegsrecht ist verhängt, und Pompeius hat das Kommando. Warum hört die Gewalt trotzdem nicht auf? Was wird dagegen getan?«
    »Gar nichts.«
    »Warum nicht?«
    »Weil Pompeius zuerst Diktator werden will.«
    »Ach so. Er strebt schon nach der Alleinherrschaft, seit er meinen Vater in Gallia Cisalpina hingerichtet und den armen Carbo enthauptet hat. Pompeius ist ein Barbar!«
    Sein Onkel war alt geworden, stellte Brutus, der nur elf Jahre jünger war, erschüttert fest. Cato hatte nie onkelhaft auf ihn gewirkt, sondern mehr wie ein älterer Bruder, klug, mutig und innerlich stark. Natürlich hatte Brutus Cato als Kind und als Heranwachsender kaum gekannt, denn Servilia hatte eine engere Freundschaft verhindert. Das hatte sich erst an jenem Tag geändert, als Caesar mit den Insignien des Pontifex Maximus gekommen war, um zu verkünden, daß er Julias Verlobung mit Brutus gelöst habe, um Julia mit dem Mann zu verheiraten, der Brutus’ Vater getötet hatte, mit Pompeius. Caesar hatte Pompeius als Bundesgenossen gebraucht.
    An jenem Tag war Brutus’ Herz gebrochen, und es war nie wieder geheilt. Wie sehr hatte er Julia geliebt! Er hatte gewartet, bis sie alt genug war, und dann mitansehen müssen, wie sie zu einem Mann ging, der den Dreck unter ihren Schuhen nicht wert war. Aber sie würde das schon eines Tages erkennen, hatte Brutus gehofft. Er hatte sie weiter geliebt und auf sie gewartet. Dann war sie plötzlich gestorben. Monatelang hatte er sie nicht gesehen, und plötzlich war sie tot. Seine einzige Hoffnung war jetzt noch, daß er sie zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort wiedersehen und sie dann seine Liebe erwidern würde. Nach Julias Tod hatte er viel Platon gelesen, den übersinnlichsten aller Philosophen, und er hatte erst damals das Gefühl gehabt, ihn richtig zu verstehen.
    Und jetzt, als er Cato vor sich sah, begriff er, was sein Onkel durchlitt, daß er von Qualen gepeinigt wurde, die keiner seiner Freunde jemals begreifen würde. Cato hatte seine geliebte Frau an einen anderen verloren und konnte sich nicht von dieser Liebe lösen! Brutus wurde so überwältigt von Mitgefühl, daß er den Kopf senkte. Ach Onkel Cato, wollte er rufen, wie gut ich dich verstehe! Es geht mir doch genauso wie dir, nie werden wir Seelenfrieden finden. Ob wir wohl beide im Augenblick unseres Todes an unsere Frauen denken werden? Du an Marcia und ich an Julia? Ob der Schmerz über den Verlust je vergehen wird? Ob die Erinnerung daran verblaßt?
    Aber er sagte nichts. Er starrte nur auf seinen Schoß, auf die Falten seiner Toga, bis die Tränen gebannt waren.
    Dann schluckte er und sagte leise: »Was wird geschehen?«
    »Eines jedenfalls nicht, Brutus: Pompeius wird niemals Diktator werden! Ehe das geschieht, stoße ich mir mitten auf dem Forum das Schwert ins Herz! In unserer Republik ist kein Platz für einen Pompeius oder einen Caesar. Sie wollen die Besten sein, uns zu Zwergen in ihrem Schatten degradieren, sie wollen sein wie — wie Jupiter! Zuletzt würden alle freien Römer sie wie Götter anbeten. Aber ich nicht! Lieber sterbe ich!«
    Brutus schluckte wieder. »Das glaube ich dir, Onkel. Wenn wir aber diesen Zuständen nicht abhelfen können, kennen wir wenigstens ihre Ursache? Mir scheint, es gibt diese Probleme schon, solange ich lebe, nur daß sie immer schlimmer werden.«
    »Es begann mit den Gracchen, besonders mit Gaius Gracchus. Dann kamen Marius, Cinna, Carbo, Sulla und jetzt Pompeius. Vor Pompeius habe ich keine Angst, Brutus, das hatte ich noch nie. Ich fürchte Caesar.«
    »Ich kannte Sulla nicht«, sagte Brutus

Weitere Kostenlose Bücher