MoR 05 - Rubikon
ganz Rom fuhren leere Wagen und liefen scheuende Pferde, und die Hauptleidtragenden kamen nur bis zum Vestatempel, wo wir hilflos steckenblieben.
Das war allerdings noch keineswegs das Ende. In der Menge befanden sich auch Sprecher der Volksversammlung, und sie verlangten von Ahenobarbus vor dem Senat, daß die Asche Julias bei den Helden auf dem Marsfeld bestattet würde. Ahenobarbus und Cato, der bei ihm war, schrien Zeter und Mordio. Nein, unmöglich, Frauen würden doch nie auf dem Marsfeld begraben! Nur über ihre Leiche! Ich fürchtete schon, Ahenobarbus würde gleich der Schlag treffen. Doch die Menge rückte drohend immer näher, bis Ahenobarbus und Cato merkten, daß sie, wenn sie nicht nachgaben, tatsächlich Leichen sein würden. Sie mußten schwören.
Meine geliebte Julia bekommt also ein Grab auf dem Rasen des Marsfeldes, bei den Helden. Ich war so von Schmerz überwältigt, daß ich mich noch nicht darum kümmern konnte, aber das werde ich noch. Sie bekommt dort das prächtigste Grab, das verspreche ich Dir. Schlimm ist nur, daß der Senat Spiele anläßlich der Totenfeier verboten hat. Alle haben Angst vor Ausschweifungen der Massen.
Ich habe meine Pflicht getan und alles berichtet. Deine Mutter hat der Verlust schwer getroffen, Caesar. Ich weiß noch, daß ich geschrieben habe, sie sehe keinen Tag älter aus als fünfundvierzig. Jetzt sieht man ihr jedes ihrer siebzig Jahre an. Die Vestalinnen und auch Deine kleine Frau Calpurnia kümmern sich um sie. Calpurnia wird Julia vermissen, denn die beiden waren gute Freundinnen. Ach, jetzt kommen die Tränen wieder. Ich habe ein ganzes Meer davon vergossen. Meine liebe Julia ist für immer von mir gegangen. Wie soll ich es aushalten?
Wie soll ich es aushalten? Caesar war so benommen, daß keine Tränen kommen wollten. Julia? Wie ertrage ich das?
O namenloses Leid! Mein Sonnenschein, mein Ein und Alles. Ich bin gerade sechsundvierzig geworden, und meine Tochter ist im Kindbett gestorben. So starb auch ihre Mutter, als sie mir einen Sohn gebären wollte. Wie die Dinge sich wiederholen! Ach Mutter, wie soll ich dir in die Augen sehen, wenn ich dereinst nach Rom zurückkehre, und wie nach dem Tod meines geliebten Kindes die Kraft aufbringen, das Beileid der anderen entgegenzunehmen? Sie werden aufrichtig sein in ihrer Trauer, aber wie kann ich es ertragen? Ihnen zeigen, daß ich ins Mark getroffen bin, von Schmerz überwältigt — das kann ich nicht. Mein Schmerz gehört mir allein, niemand anders. Niemand sonst soll ihn sehen. Fünf Jahre habe ich mein Kind nicht mehr gesehen, und jetzt soll ich sie nie mehr sehen. Ich weiß kaum noch, wie sie aussah, nur daß sie mir nie Kummer oder Sorgen gemacht hat. Wie heißt es doch? Nur die Guten sterben jung, nur die Vollkommenen welken nicht mit den Jahren dahin, sondern blühen in ewiger Jugend. Ach Julia! Wie ertrage ich das?
Er stand auf, ohne zu wissen, was er tat. Der Brief vom Sextilis lag noch auf dem Tisch, den vom September hielt er in der Hand. Durch den Eingang des Zeltes sah er das geordnete Lagerleben am Rand des Nirgends, am Ende der Welt. Sein Gesicht war gefaßt, die Augen, die Aulus Hirtius ansahen, der am Fahnenmast in Rufweite stehengeblieben war, waren die Caesars, weniger kalt als kühl abwägend, allwissend, wie Mandubracius gefunden hatte.
Hirtius straffte sich. »Alles in Ordnung, Caesar?«
Caesar lächelte freundlich. »Ja, Hirtius, alles in Ordnung.« Er legte die linke Hand über die Augen und sah in die untergehende Sonne. »Es ist schon spät, und wir müssen noch König Mandubracius bewirten. Die Briten sollen uns nicht für knausrige Gastgeber halten, zumal wenn wir ihnen ihre eigenen Speisen vorsetzen. Bereite alles vor, ich komme gleich nach.«
Er trat nach links auf den an das Feldherrnzelt grenzenden Platz des Lagerforums und sah dort einen jungen Legionär, der offenbar zur Strafe abkommandiert worden war, die Reste eines Feuers zusammenzuharken. Als der Legionär den Feldherrn kommen sah, harkte er noch eifriger und gelobte sich, daß er sich bei der Parade nie wieder etwas zuschulden kommen lassen würde. Er hatte Caesar allerdings noch nie aus der Nähe gesehen. Als Caesar deshalb neben ihm stehenblieb, hielt er einen Augenblick inne, um ihn sich genau anzusehen. Worauf der Feldherr lächelte!
»Mach das Feuer nicht ganz aus, Bursche, ich brauche noch ein glühendes Scheit«, sagte Caesar in dem breiten Latein der einfachen Soldaten. »Was hast du ausgefressen, daß du
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