MoR 05 - Rubikon
hatte sich nicht rasiert, ein höchst bedeutungsvoller Umstand bei einem Mann, der sich so vor Läusen ekelte, daß er jedes Haar unter den Achseln, an der Brust und an den Lenden auszupfte, daß er sich noch inmitten des größten Chaos rasierte. Man sah regelrecht, wie das spärliche Haar auf seinem Kopf sich bei der bloßen Erwähnung von Ungeziefer aufstellte; seine Diener machte er mit seinem Wunsch verrückt, unter allen Umständen nur frischgewaschene Sachen anzuziehen. Keine einzige Nacht wollte er auf einem Boden aus Erde verbringen, weil dort so oft Flöhe anzutreffen waren; deshalb enthielt sein persönliches Gepäck auch immer Bodendielen für sein Feldherrnzelt. Seine Gegner in Rom hatten damit schon ihren Spott getrieben! Ein Lästermaul hatte aus den schlichten Holzdielen gleich ein Mosaik aus Marmor gemacht. Zugleich konnte Caesar eine große Spinne in die Hand nehmen und lachend zusehen, wie sie auf seiner Hand herumwuselte, während der tapferste Zenturio der Zehnten schon beim Gedanken daran in Ohnmacht gefallen wäre. Spinnen waren, wie Caesar sagen würde, saubere Geschöpfe und tüchtige Wirtschafterinnen. Vor Kakerlaken andererseits floh er auf den Tisch, wenn einer da stand, denn er konnte es auch nicht ertragen, die Sohle seines Stiefels zu beschmutzen, indem er sie zertrat. Sie waren scheußliche Geschöpfe, pflegte er schaudernd zu sagen.
Und hier marschierten sie seit drei Tagen, und elf Tage waren seit Eintreffen der Briefe vergangen, und Caesar hatte sich nicht rasiert. Jemand, der ihm nahestand, war tot, Caesar war in Trauer. Wer? Sie würden es erfahren, sobald sie nach Portus Itius zurückkehrten, doch sein Schweigen sagte ihnen, daß er auch dann, wenn alle davon wußten, nicht darüber reden und auch nicht dulden würde, daß man in seiner Gegenwart davon sprach. Trebonius und Hirtius tippten beide auf Julia. Trebonius fiel ein, daß er den tolpatschigen Sabinus zur Seite nehmen und ihm mit Beschneidung drohen mußte, wenn er dem Feldherrn sein Beileid aussprach — wie hatte Sabinus überhaupt so dreist sein können, Caesar zu fragen, warum er sich nicht rasierte?
»Quintus Laberius«, hatte Caesar kurz angebunden gesagt.
Nein, Quintus Laberius war es nicht, es mußte Julia sein. Oder vielleicht seine legendäre Mutter Aurelia. Obwohl, warum hätte ihm Pompeius davon schreiben sollen?
Auch Quintus Cicero, zur allgemeinen Erleichterung ein viel weniger lästiger Bursche als sein eitler Bruder, der große Anwalt, tippte auf Julia.
»Die Frage ist dann nur: Wie kann er Pompeius Magnus halten?« fragte Quintus Cicero, als die Legaten im Offizierszelt beim Essen saßen, zu dem Caesar wieder einmal nicht erschienen war.
Trebonius’ Vorfahren waren zwar nicht einmal so bedeutend wie die von Quintus Cicero, aber er war Mitglied des Senats und wußte deshalb, wer mit wem verbündet war — unter anderem durch Heirat —, deshalb verstand er Quintus Ciceros Frage auf Anhieb. Caesar brauchte Pompeius den Großen, weil dieser Erster Mann in Rom war. Der Krieg in Gallien war noch lange nicht ausgestanden; nach Caesars Schätzung würden sie vielleicht sogar die ganzen fünf Jahre seines zweiten Imperiums brauchen, um ihn zu beenden. Zugleich gierten im Senat so viele Wölfe nach seiner Leiche, daß er einen ständigen Balanceakt über einem Abgrund vollbringen mußte, aus dem Flammen schlugen. Trebonius konnte nicht verstehen, wie jemand überhaupt solchen Haß hervorrufen konnte. Der elende Heuchler Cato widmete seine ganze Kraft dem einzigen Ziel, Caesar zu stürzen, von Caesars Mitkonsul Marcus Calpurnius Bibulus, dem Schwein Lucius Domitius Ahenobarbus und dem großen Aristokraten Metellus Scipio, der so dick war wie ein hölzerner Tempelbalken, ganz zu schweigen.
Sie wollten auch Pompeius ans Leder, doch nicht mit jener seltsamen Besessenheit, zu der nur Caesar sie aufzustacheln schien. Warum? Sollten sie ihn doch auf einem Feldzug begleiten, dann würden sie schon sehen! Wenn Caesar den Befehl führte, brauchte man nicht die leiseste Befürchtung zu haben, daß etwas schiefgehen könnte. Auch wenn alles zusammenbrach, er fand immer einen Ausweg und blieb zuletzt Sieger.
»Warum hacken sie alle auf ihm herum?« fragte Trebonius wütend.
»Ganz einfach«, erwiderte Hirtius grinsend. »Er ist im Vergleich zu dem winzigen Docht, der bei ihnen aus Priapus’ mentula herausschaut, wie der Leuchtturm von Alexandria. Pompeius Magnus befehden sie, weil er der Erste Mann in Rom ist und
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